Intelligent Design (ID)

Neuer Wein in alten Schläuchen


 

Allgemeine "wissenschaftstheoretische" Argumentationsstrukturen der ID-Bewegung

[ zurück ] [ Übersicht ] [ Thesen ] [ weiter ]

Die prinzipielle Argumentationsstruktur

Johnson (1999) hat den prinzipiellen Ansatz des ID äußerst prägnant formuliert:

It is that intelligent causes can do things that unintelligent causes cannot do, and scientific investigation can tell the difference. (Übertragung)

Damit ist gemeint, dass der Naturalismus mit seinen Naturgesetzen ("unintelligent causes") prinzipiell nicht alles erklären kann. Für bestimmte Phänomene ist das Eingreifen von Intelligenz erforderlich ("intelligent causes"). Johnson behauptet darüber hinaus, dass diese Unterschiede mit naturwissenschaftlichen Methoden aufgezeigt werden können. Mit diesen Thesen soll nicht die unstrittige Einsicht formuliert werden, dass die Reichweite unserer Erkenntnis begrenzt ist. Der Grundgedanke der ID-Bewegung ist vielmehr, dass mit den Erkenntnismitteln der Naturwissenschaften aufgezeigt werden kann, dass es einen Designer geben muss. Wie das konkret geschehen soll, wurde von Behe und dann vor allem von Dembski erarbeitet. Auf den Beitrag Johnsons zur ID-Bewegung gehe ich an anderer Stelle näher ein.

Nichtreduzierbare Komplexität

Behe hat mit seinem Konzept der nichtreduzierbaren Komplexität ("irreducible complexity") die Grundlage für die Argumentation des ID gelegt. Diese Erkenntnis soll weiter gehen als die Argumentation Paleys, weil sie sich direkt auf die elementare Organisationsstruktur von Organismen bezieht. Derartige Systeme bestehen aus Komponenten, die nur als Gesamtheit funktionieren können. Als Beispiel für derartigte Strukturen wird meist die Bakteriengeißel genannt, nicht zuletzt deshalb, weil bisher nur an dieser Struktur die Grundkonzepte des ID angewendet wurden. Es wird argumentiert, dass solche Systeme nicht naturalistisch entstehen können, weil die komplizierte Struktur nicht in einem schrittweisen Verfahren entstehen kann. Das liegt daran, dass jede einzelne Komponente an sich keinen Selektionsvorteil aufweist. Die einzelnen Komponenten können erst im Rahmen einer Gesamtstruktur einen Selektionsvorteil aufweisen. Daraus folgt aber auch, dass erst die komplette Struktur einen Selektionsvorteil aufweist. Die Vorstufen weisen keinen Selektionsvorteil auf.

Die erste Möglichkeit zur Verteidigung der naturalistischen Evolutionswissenschaft gegen das Argument der 'irreduziblen Komplexität' besteht natürlich darin, zu bezweifeln, ob es derartige Strukturen überhaupt gibt. Falls ja, kann immer noch gefragt werden, ob diese nicht doch naturalistisch entstehen konnten. Im Folgenden gehe ich davon aus, dass es durchaus derartige Strukturen, die so aufgebaut sind, dass der Ausfall einer Komponente zum Verschwinden der Funktion führt, gibt. Deshalb gehe ich nicht weiter auf Versuche ein, mit denen gezeigt werden soll, dass beispielsweise die Bakteriengeißel gar nicht irreduzibel komplex ist.

Der Einwand, dass die Selektion nur an schon existierenden Strukturen ansetzen kann an sich ist nicht neu. In der Evolutionsliteratur wurde und wird er als Problem der 'incipient structures' diskutiert. Historisch gesehen war das schon einer der ersten Einwände gegen Darwins Selektionstheorie überhaupt. Auch damals wurde anerkannt, dass die Selektionstheorie zwar in der Lage ist, die Verbesserung von existierenden, entwicklungsfähigen Strukturen zu erklären ('survival of the fittest'), bezweifelt wurde aber, ob so erklärt werden kann, wie diese Strukturen überhaupt entstehen ('arrival of the fittest'). Behe hat daher eigentlich keinen neuen Gesichtspunkt in die Diskussion eingebracht. Interessanterweise geht auch die Struktur der Argumentation gegen Behes Einwände in dieselbe Richtung wie die der Darwinisten gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Im wesentlichen wird eingeräumt, dass die Komponenten der Gesamtstruktur nicht im Rahmen dieser Struktur entstanden sein können, sondern dass sie ursprünglich eine andere Funktion hatten und dann einen Funktionswechsel durchliefen. Ein 'klassisches Beispiel' ist hier die Entstehung der Federn der Vögel. Diese entstanden ursprünglich nicht als Strukturen zum Fliegen, sondern zur Wärmeisolation. Der Selektionsdruck erfolgte also ursprünglich nicht durch das Fliegen, eine Eigenschaft, welche diese Vorläufer der Vögel gar nicht besaßen.

Dembski geht davon aus, dass es Behe durch den Aufweis der irreduzibel komplexen Strukturen gelang, den sogenannten 'direkten Darwinistischen Weg' zu widerlegen. Das bedeutet, dass eine Struktur als Gesamt durch eine Reihe von kleinen, jeweils selektionspositiven Schritten, entstehen konnte. Dembski räumt zwar ein, dass es auch einen 'indirekten Darwinistischen Weg' geben kann, geht dabei aber nicht konkret auf die Vorstellungen von Funktionswechsel ein. Dembski versucht vielmehr zu zeigen, dass diese Alternativen zu unwahrscheinlich seien, um ernsthaft in Betracht gezogen werden zu können. Wie gezeigt wird, beruht aber auch hier der grundsätzliche Fehler in der Argumentation, dass ein Prozess, der schrittweise unter Informationsübertragung zwischen Generationen erfolgte, als kombinatorisches Problem in einer Generation betrachtet wird.

Als Fazit kann man daher festhalten, dass die Frage der irreduziblen Komplexität die Evolutionsbiologie weder vor ein neues noch gar vor ein unlösbares Problem stellt.

Wie kann man aus nichtreduzierbarer Komplexität auf einen Designer schließen?

Die grundlegende Frage ist, ob man aus der Unkenntnis konkreter Mechanismen für die Entstehung einer irreduzibel komplexen Struktur zu einem bestimmten Zeitpunkt darauf schließen kann, dass diese Struktur von einem Designer geschaffen wurde. Der übliche Vorwurf in diesem Zusammenhang lautet, dass es sich um das sogenannte 'argumentum ad ignorantiam' handelt, das keine Gültigkeit beanspruchen kann, weil niemand den Fortschritt der Erkenntnis vorhersagen kann.

Dembski (2003) beschreibt in der neuesten Arbeit, die mir zur Verfügung stand, sehr prägnant die auf der irreduziblen Komplexität aufbauende Argumentationsgrundlage des Intelligent Design:

So let me spell out the premises of the argument as well as its conclusion: Certain biological systems have a feature, call it IC (irreducible complexity). Darwinians don't have a clue how biological systems with that feature originated [ ... ]. We know that intelligent agency has the causal power to produce systems that exhibit IC (e.g., many human artifacts exhibit IC). Therefore, biological systems that exhibit IC are likely to be designed. Design theorists, in attributing design to systems that exhibit IC, are simply doing what scientists do generally, which is to attempt to formulate a causally adequate explanation of the phenomenon in question. (Übertragung)

Noch deutlicher wird Dembski (2002) in einer anderen Arbeit. Hier verwendet Dembski zwar den Begriff 'irreducible complexity' nicht, stellt in diesem Zusammenhang aber eine halbformale Darstellung vor, die den Gedankengang klar zum Ausdruck bringt. Der Übersichtlichkeit halber habe ich die betreffende Passage durch Absätze gegliedert:

Now consider the bacterial flagellum as evidence E, and let H1 and H2 be respectively the design and naturalistic hypotheses. Now factor in some auxiliary considerations.
Aux1: H2 includes no detailed testable model to account for E.
Aux2: We've ruled out all known mechanisms operating in known ways (yes we have in the case of the flagellum because there's no known Darwinian or other materialistic pathway by which it was attained).
Aux3: The bacterial flagellum is a high-tech nano-engineered machine.
Aux4: Many thousands of papers have been written about the flagellum; it has been intensely studied, and still no model has been put forward for its naturalistic construction.
Aux5: Intelligent design is known to produce highly-integrated high-tech systems like the flagellum; undirected causes are not.
Aux6: H2 shows no sign of being causally adequate to account for E (this is a corollary of Aux5).
Given all these considerations, H1 comes out a clear winner over H2 in any inference to the best explanation. (Übertragung)

Dembski räumt explizit ein, dass der erste Teil des Arguments (irreduzible Komplexität bzw. die Enstehung der Bakteriengeißel sind bisher nicht naturalistisch erklärt), ein 'argumentum ad ignorantiam' darstellt, falls lediglich argumentiert würde: 'die Enstehung dieser Struktur ist naturalistisch nicht erklärbar, also muss es einen Designer geben'. Nach Dembski ist das aber nur der Fall, wenn man, wie das angeblich in den üblichen Kritiken der Fall sei, den nun folgenden (Zwischen?)Schritt unterschlägt: Intelligenz kann derartige Systeme schaffen. Hier muss man aber beachten, dass in diesem Schritt unter 'Intelligent Design' menschliche Intelligenz zu verstehen ist. Entscheidend ist aber nicht die Frage, ob Menschen intelligent handeln können (das ist unstrittig), sondern die Frage, ob Lebewesen von einer (nicht menschlichen) Intelligenz geschaffen wurden. Es handelt sich hier also bestenfalls um einen Analogie-Schluss, der nicht besonders aussagekräftig ist. Da sich ID-Anhänger, wie noch gezeigt wird, prinzipiell weigern, allzu konkrete Aussagen über Mechanismen oder auch nur Zeiträume für Design zu machen, bleibt doch nur noch das argumentum ad ignorantiam übrig.

Letztendlich beruht die gesamte Argumentation also darauf, dass es prinzipielle Lücken im naturalistischen Erklärungsmodell gibt, wenn es darum geht, komplexe Strukturen zu erklären. Der Bezug zu einem Schöpfer beruht auf einem Analogieschluss: menschliche Intelligenz kann komplexe Systeme schaffen, daher wird auch eine Intelligenz eingefordert, welche die Komplexität in natürlichen Systeme erklärt. Analogieschlüsse sind prinzipiell bestenfalls Veranschaulichungen und als Argument nicht stichhaltig. Aus diesem Grund gehe ich auf diesen Aspekt nicht weiter ein.

Wesentlich ist daher die Struktur des ersten Arguments. Hier wird explizit nicht mit positiven Argumenten für den Standpunkt des ID argumentiert, sondern lediglich darauf aufgebaut, dass es noch keine überzeugende Alternative gibt. ID bürdet sich daher eine gewaltige Aufgabe auf: es reicht nicht, zu zeigen, dass es Lücken im naturalistischen Erklärungsmodell gibt, sondern es muss begründet werden, dass diese Lücken prinzipieller Natur sind.

Exkurs: Das 'argumentum ad ignorantiam' oder Warum ist ID prinzipiell nicht falisfizierbar?

Die beiden oben angeführten Passagen Dembskis sind in den jeweiligen Texten explizit als Widerlegung des Einwands, ID würde nur negativ argumentieren, also letztendlich auf einem argumentum ad ignorantiam beruhen, angeführt. Dieser Vorwurf spielt in der Diskussion um ID eine wesentliche Rolle. Deshalb möchte ich etwas näher auf diese Argumentationsstruktur eingehen.

Es gibt verschiedene Definitionen, was unter einem 'argumentum ad ignorantiam' [1] verstanden werden soll. Letztendlich ist mit dieser als Vorwurf gegen eine Position zu verstehenden Bezeichnung gemeint, dass es erforderlich ist, positive Befunde für eine Position anzuführen und diese nicht lediglich darauf zu gründen, konkurrierende Auffassungen widerlegen zu können. Diese Forderung nach positiven Befunden beruht darauf, dass man eine Hypothese prinzipiell so formulieren muss, dass sie getestet werden kann. In den Naturwissenschaften bedeutet das, dass sie prinzipiell an der Erfahrung scheitern können muss.

Aus diesem Grund ist auch das angebliche Falsifikationskriterium des ID (ID ist widerlegt, falls es gelingt, den Erfolg der naturalistischen Forschung zu belegen), das beispielsweise Dembski (2001) üblicherweise anführt, streng genommen keins: eigentlich wird ID gar nicht getestet, es fällt nur dem 'Occamschen Rasiermesser' zum Opfer, weil es schlicht und ergreifend nicht benötigt wird.

Dazu kommt ein weiterer Punkt: selbst wenn die Entstehung der Bakteriengeißel restlos auf naturalistische Mechanismen zurückgeführt werden könnte, würde das noch lange nicht bedeuten, dass irgendwann ein Designer an dem einen oder anderen Schritt beteiligt gewesen ist. Widerlegt wäre nur die Behauptung, dass es für diese spezielle Struktur keine Möglichkeit gäbe, ohne schöpferischen Eingriff zu entstehen. Eine Falsifizierung der Annahme eines Designers ist also auf diese Weise prinzipiell gar nicht möglich.

Von ID-Anhängern wird die Frage gerne zurückgegeben: wie ist eigentlich die Evolutionslehre falsifizierbar? Auf der einen Seite ist hier zu konstatieren, dass es sich bei der Evolutionsvorstellung gar nicht um eine Auffassung handelt, die falsifiziert werden kann. Sie stellt so etwas wie ein Forschungsprogramm, ein Paradigma oder wie auch immer man eine derartige Auffassung benennen möchte dar. Letztendlich sind derartige Vorstellungen Weltbilder, die man mehr oder weniger gut begründet vertreten, aber letztlich nicht zwingend beweisen kann. Meist ist hier eine Entscheidung erforderlich. Es geht daher weniger darum, ob eine Auffassung richtig ist, als um die Frage, ob sie sich bewährt. Ohne die Vorstellung einer Evolution würde die Biologie eine Ansammlung unverbundener Details darstellen. Unter der Annahme einer Evolution ergeben diese Details aber ein in sich stimmiges Weltbild. Dobzhansky hat das sehr anschaulich als Titel einer Arbeit, die sich gegen Kreationismus an öffentlichen Schulen wendet, zum Ausdruck gebracht: 'Nothing in biology makes sense except in the light of evolution' ('Nichts in der Biologie ergibt einen Sinn, wenn man es nicht im Lichte der Evolution betrachtet'). [2]

Aus der Vorstellung einer Evolution können aber durchaus prüfbare Hypothesen abgeleitet werden. Dass das der Fall ist zeigt schon die Forderung der ID-Anhänger nach der Formulierung von prüfbaren Mechanismen für die Entstehung irreduzibel komplexer Strukturen oder die Behauptung, dass derartige Vorstellungen widerlegt seien. Es ließe sich leicht eine Welt vorstellen, in der eine Evolutionsauffassung gar nicht erst aufkommen würde: fände man in Gesteinen die Fossilien in regelloser Abfolge, hätte jede Organismengruppe einen eigenen genetischen Code oder einzigartige Enzymausstattungen käme niemand auf die Idee, es könne so etwas wie eine Deszendenz geben. So gesehen ist die Evolutionsvorstellung durchaus prüfbar. Mit einer Schöpfungsvorstellung hingegen lässt sich jede beliebige Welt in Einklang bringen: der Schöpfer hat es halt so erschaffen.

Der Ausschluss aller Alternativen: Eliminative Induktion

ID-Anhänger sehen durchaus, dass sie zeigen müssen, dass der Naturalismus prinzipiell nicht hinreichen kann, komplexe Strukturen zu erklären. Dieser Nachweis ist aber sehr problematisch und meiner Meinung nach prinzipiell gar nicht leistbar. Etwas 'formal' ausgedrückt könnte dieses Argument wie folgt lauten: es gibt für die Erklärung beispielsweise der Entstehung der Bakteriengeißel die (sich eventuell gegenseitig widersprechenden) naturalistischen Theorien A, B, C und D. Daneben gibt es noch die Position des ID. Nun bin ich in der Lage, A, B, C und D zu widerlegen. Also muss es einen Designer geben.

Dembski (2002) bezeichnet diese Argumentation als 'Eliminative Induktion'. Dembski beschreibt die Voraussetzungen dieses Verfahrens durchaus korrekt wie folgt:

Eliminative inductions argue that competitors to the proposition in question are false. Provided the proposition together with its competitors form a mutually exclusive and exhaustive class, eliminating all the competitors entails that the proposition is true. This the ideal case, in which eliminative inductions in fact become deductions. The problem is that in practice we don't have a neat ordering of competitors that can then all be knocked down with a few straightforward and judicious blows (like pins in a bowling alley). (Übertragung)

Schon die Grundvoraussetzung (die Alternativen müssen sich gegenseitig ausschließen und alle denkbaren Möglichkeiten umfassen) ist nicht gegeben. [3] Mit den Begriffen im obigen Schema könnte man fragen, ob es nicht noch weitere Möglichkeiten, also E, F und so weiter geben könnte. Diese wird man eventuell erst durch weitere Forschung finden. Im weiteren Text argumentiert Dembski zwar, dass es Klassen von Argumenten gibt, die man widerlegen kann (und es deshalb nicht erforderlich ist, jede einzelne Denkmöglichkeit zu widerlegen), er kann aber nicht zeigen, dass die Menge dieser Klassen zwingend alle Möglichkeiten umfasst. Streng genommen muss man, um die eliminative Induktion anwenden zu können, ein System erst vollständig erforscht haben. Zumindest im Fall der Bakteriengeißel ist das, wie die Diskussion über Detailfragen deutlich zeigt, noch lange nicht der Fall. Das Argument ist daher hinfällig.

Der korrekte Schluss angesichts derartiger Forschungslücken besteht meiner Meinung nach darin, einzuräumen, dass das betreffende System (noch?) nicht verstanden ist. Die Entscheidung kann zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgrund der Faktenlage einfach (noch?) nicht möglich sein. Dembski stellt diesen Sachverhalt zwar so dar, als sei das eine Immunisierungsstrategie der Evolutionsvorstellung und fordert, dass eine Entscheidung auf der Basis des derzeitigen Wissens erfolgen muss. Das ist aber nicht sinnvoll. In der Astrophysik fragte man sich beispielsweise lange, ob das Universum 'ewig' expandieren wird, irgendwann zum Stillstand kommen oder sich sogar wieder kontrahieren wird. Diese Frage kann nur entschieden werden, wenn man die genaue Masse des Universums kennt. Es macht daher keinen Sinn, sich für ein Modell zu entscheiden, solange die erforderlichen Fakten fehlen. Der korrekte Weg ist, zuzugeben, dass zur Klärung dieser Frage Forschungsbedarf besteht.

Ein Spezialfall würde vorliegen, wenn man für eine Frage eine Art Gleichung aufstellen könnte, in der die einzelnen Faktoren im Sinne einer Multiplikation verknüpft sind. Ein Beispiele ist die Drakesche Formel [4], wie wahrscheinlich es ist, dass wir Signale von fremden Intelligenzen aus unserer Galaxis empfangen. Sollte nachgewiesen werden können, dass einer der Faktoren Null ist, dann könnte man sicher sein, dass es im Universum kein Leben gibt. Das aber auch wieder nur unter der Annahme, dass die Faktoren korrekt sind. Der entscheidende Punkt ist daher auch hier, dass sicher sein muss, dass das erforderliche Wissen vorliegt. Letztendlich bedeutet das nur, dass auch auf diesem Weg keine sicheren Aussagen getroffen werden können, bevor das System hinreichend erforscht ist.

Aus diesem Grund ist auch Dembskis Forderung, die Wissenschaft müsste mit dem heutigen Kenntnisstand die Frage, ob eine naturalistische Erklärung prinzipiell möglich ist, entscheiden, unsinnig. Das ist keine Schwäche der naturalistischen Position, sondern einfach ein 'fact of life'. Daraus ein Argument für Design abzuleiten ist ein klassisches argumentum ad ignorantiam. Einzuräumen ist lediglich, dass die Auffassung, der betrachtete Sachverhalt sei bereits erklärt, ebenfalls nicht haltbar ist. Noch abwegiger wäre die Auffassung, dass der derzeitige Stand der Erkenntnis einen Designer definitiv ausschlösse.

Von der Warte der naturalistischen Forschung aus gesehen ist es daher bestenfalls anregend, von ID-Anhängern die Lücken des jeweiligen Stands der Forschung aufgezeigt zu bekommen (dass es diese gibt, ist unstrittig). Daraus aber ein Argument für einen Designer abzuleiten ist nicht stichhaltig. Letztendlich wird hier nur 'ich weiß das noch nicht' in 'ein Designer hat das gemacht' umformuliert. Das ist aber nur der klassische 'Lückenbüßergott', der an Wohnungsnot stirbt, wenn weitere Bereiche naturalistisch erforscht sind.

Zwischenbetrachtung

Es hat sich gezeigt, dass die Argumentation der ID-Bewegung auf dem argumentum ad ignorantiam, kombiniert mit einem Analogieschluss, besteht. Der Analogieschluss ist als Argument prinzipiell unzureichend und braucht nicht weiter betrachtet zu werden. ID müsste zeigen, dass die Erklärungslücken des naturalistischen Ansatzes prinzipieller Natur sind. Das ist aber eine Frage, die Faktenwissen erfordert, über das wir noch nicht verfügen. Aus diesem Grund ist auch eliminative Induktion nicht möglich. Daher ist derzeit nicht entscheidbar, wie weit der bisher erfolgreichste Ansatz, wie man Forschung betreiben sollte, tragen kann. Lücken im derzeitigen Wissen sind das, was sie sind: Lücken im derzeitigen Wissen, aber keine Argumente für ID.

 

[ zurück ] [ Übersicht ] [ Thesen ] [ weiter ]


 

1 Im Laufe der langen Geschichte der Diskussion über philosophische Auffassungen wurde eine Reihe von meist fehlerhaften Argumentationsstrukturen mit lateinischen Bezeichnungen gekennzeichnet. Eine hilfreiche Auflistung mit entsprechenden Erklärungen findet man auf http://www.infidels.org/news/atheism/logic.html unter dem Titel 'Logic & Fallacies'.

2 Dobzhansky, T. (1973) 'Nothing in biology makes sense except in the light of evolution' American Biology Teacher 35:125-129

3 Dass derartige zeitbedingte Schlüsse sehr problematisch sind, erkennt auch Behe (2003). Interessanterweise wendet er diese Überlegungen, die er zu möglichen Funktionen von bisher als nutzlos erkannten Strukturen anstellt, nicht auf seine eigene Position an. Seine Ausführungen lesen sich wie eine Passage aus der Feder eines ID-Gegners.

4 Diese Formel wird meist als

N = R* • fp • ne • fl • fi • fc • L

angegeben (z.B. http://www.seti-inst.edu/science/drake-bg.html). N (die Zahl der Zivilisationen der Milchstraße, deren Signale wir entdecken können) hängt demnach von einer Reihe von Faktoren ab (deren genaue Bedeutung hier keine Rolle spielt, R* ist beispielsweise die Bildungsrate von Sternen, welche die Entwicklung von intelligentem Leben ermöglichten) Interessant ist nur, dass, falls auch nur einer Faktoren Null ist, auch N Null wird.

 

[ zurück ] [ Übersicht ] [ Thesen ] [ weiter ]

 


E-Mail an Thomas Waschke an Thomas Waschke
Erstellt:
Stand:

15. Mai 2003
15. Mai 2003