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Moderne Evolutionsgegner: Kreationismus und Intelligent Design

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1 Einleitung

Als sich die naturalistische Evolutionstheorie (oft als ‚Darwinismus‘ apostrophiert) gegen Ende des 19. Jahrhunderts durchsetzte, sahen viele Menschen in ihr eine Bedrohung ihres religiös geprägten Weltbilds. Die Annahme einer Abstammung des Menschen aus tierlichen Vorfahren stellt dessen Gottesebenbildlichkeit infrage, die als Grundlage der Moral angesehen wurde. Außerdem steht eine naturalistische Evolution im Widerspruch zu den in der Bibel angeblich geoffenbarten historischen Tatsachen, vor allem der gleichzeitigen Erschaffung aller Arten einschließlich des Menschen innerhalb einer Woche.

Selbstverständlich gab und gibt es auch in Europa Gegner einer naturalistischen Evolution, aber die wichtigsten Strömungen entstanden in den USA. Nach dem so genannten ‚wissenschaftlichen Kreationismus‘ (‚scientific creationism‘, SC) ist in jüngster Zeit mit dem Intelligenten Design (ID) eine zweite Welle der Evolutionskritik aus den USA in Europa angekommen. Die Vertreter beider Positionen weisen durchaus Gemeinsamkeiten auf, die dazu geführt haben, in ID eine Weiterentwicklung des SC zu sehen. Beide Auffassungen werden oft in einem Atemzug genannt, manche Autoren verwenden sogar Mischbezeichnungen wie ‚Neo-Kreationismus‘ oder ‚Intelligent Design-Kreationismus‘ um diese enge Verbindung auszudrücken. Bei näherer Betrachtung gibt es aber so gravierende Unterschiede zwischen beiden Positionen, dass es in meinen Augen sinnvoller ist, sie klar voneinander abzugrenzen, nicht zuletzt deswegen, weil die Argumente gegen die eine Position die andere oft nicht treffen.

Im Folgenden wird zunächst die Situation in den USA geschildert, die zum Verständnis der Entstehung und der Bedeutung beider Positionen unabdingbar ist. Da der Kreationismus im engeren Sinn hierzulande öffentlich kaum noch vertreten wird, wird er kurz abgehandelt. Zum Verständnis der Position des ID ist es zudem erforderlich, zwischen der ID-‚Theorie‘, die Zeichen für Design in der Natur zu finden beansprucht und der darauf aufbauenden ID-Bewegung, deren Vertreter eine Evolution kritisieren, zu unterscheiden. Die Argumente, welche Vertreter des ID gegen eine naturalistische Evolution vorbringen, werden ausführlicher dargestellt und widerlegt. Den Abschluss bilden Tipps für eine Diskussion mit Evolutionsgegnern.

2 Historische Entwicklung und Situation in den USA

Als sich das neue Staatswesen nach den Kolonialkriegen schließlich eine Verfassung gab, waren sich Vertreter aller Richtungen einig, dass Staat und Religion strikt getrennt werden sollten. Auch die konservativ orientierten Kräfte stimmten zu, um die Probleme, mit denen die Menschen in Europa konfrontiert waren, zu vermeiden. Amerika wurde von Europäern besiedelt, die oft aus religiösen Gründen ihre Heimat verlassen mussten, beispielsweise weil der Landesherr die Konfession wechselte und seinen Untertanen nur die Wahl zwischen Konversion und Auswanderung ließ. Konsequenterweise führte die Trennung von Staat und Kirche zu einem Verbot der Behandlung religiöser Fragen im Bereich der öffentlichen Schulen. Dadurch war es in den USA auch nicht möglich, die biblische Schöpfungslehre, sozusagen als Gegengewicht zur Evolutionstheorie, im Unterricht an öffentlichen Schulen zu behandeln.

Zunächst wurde von konservativen Kräften um den Beginn des 20. Jahrhunderts in vielen Bundesstaaten versucht, die Behandlung der Evolution (zumindest der des Menschen) im Unterricht durch entsprechende Gesetze ganz zu verbieten. Höchstricherliche Urteile hoben diese Gesetze zwar nach und nach auf, aber erst Ende der 1960er Jahre wurden die Verbote in den letzten Bundesstaaten aufgehoben. Viele Schulen verzichteten aber weiter auf die Behandlung dieses Themas im Biologie-Unterricht. Im Rahmen der Förderung des naturwissenschaftlichen Unterrichts nach dem ‚Sputnik-Schock‘ wurde in den Schulen dann verstärkt im Rahmen des Biologie-Unterrichts auch Evolution thematisiert.

Das führte zur Entwicklung des so genannten ‚Scientific Creationism‘ (s.u.), der den Anspruch erhob, mit naturwissenschaftlichen Methoden zeigen zu können, dass bestimmte Aussagen der ersten Kapitel der Bibel, beispielsweise eine weltweite Flut, als realhistorische Ereignisse zu betrachten sind, die mit naturwissenschaftlichen Methoden nachgewiesen werden können. Die Vertreter dieser Auffassung forderten daher ‚equal time‘ ein: ‚Scientific Creationism‘ muss der gleiche Raum im naturwissenschaftlichen Unterricht eingeräumt werden wie der Evolutionstheorie.

Nachdem diese Forderung aber 1981 endgültig vor dem Verfassungsgericht scheiterte, setzten die Evolutionsgegner auf eine andere Alternative: Intelligent Design. Das neue Schlagwort hieß nun ‚teach the controversy‘. Intelligent Design wurde explizit als Alternative zur naturalistischen Auffassung formuliert, die schon aus Gründen der Fairness im Unterricht zu behandeln sei. Aus den genannten Gründen kann man durchaus eine Kontinuität von Scientific Creationism und Intelligent Design im Kampf gegen Evolution sehen, aber eine nähere Analyse zeigt, dass die beiden Auffassungen inhaltlich und organisatorisch unabhängig voneinander sind.

Die Diskussion über ID erreichte Ende 2005 einen vorläufigen Höhepunkt: in Dover fand der erste Prozess statt, in dem geklärt wurde, dass ID nicht als wissenschaftliche Alternative zur Evolutionstheorie im Biologie-Unterricht behandelt werden darf. Im Zusammenhang mit diesem Prozess gelangte ID auch in die deutschen Massenmedien und entfachte eine Diskussion, die auch heute noch anhält.

3 Kreationismus im engen Sinne (‚Scientific Creationism‘, ‚Junge Erde Kreationismus‘)

Der Begriff ‚Kreationismus‘ leitet sich vom lateinischen Wort ‚creatio‘, das so viel wie Schöpfung bedeutet, ab. Kreationisten im weiten Sinn sind daher alle Menschen, die davon ausgehen, dass es einen Schöpfer gibt, unabhängig davon, um welches Wesen es sich handelt oder an welche Offenbarung geglaubt wird. Daher ist es sinnvoll, den Begriff ‚Kreationist‘ enger zu fassen.

Kreationisten im engen Wortsinn hingegen sind Menschen, die eine wortwörtliche Interpretation der Bibel als Grundlage eines Weltbilds vertreten, das Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erhebt. Aus dieser Interpretation folgen vor allem drei zentrale Punkte: die Erde ist jung (maximal 10.000 Jahre, die Erschaffung des Universums wird oft auf das Jahr 4004 v.u.Z. datiert), eine weltweite Sintflut vernichtete alles tierliche Leben außerhalb der Arche und alle Lebensformen einschließlich des Menschen wurden gleichzeitig erschaffen. Das hervorstechendste Merkmal dieser Auffassung ist die Annahme einer jungen Erde ist, daher wird diese Richtung auch als Junge Erde Kreationismus (Young Earth Creationism, YEC) bezeichnet. YEC wurde später dann auch der Form des oben erwähnten Scientific Creationism vertreten.

In allen drei Fällen handelt es sich um prüfbare Aussagen, die geprüft wurden und als widerlegt gelten. Durch verschiedenste Datierungsmethoden lässt sich eindeutig zeigen, dass die Erde alt sein muss, man findet keine Spuren einer weltweiten Sintflut in der geologischen Schichtenfolge und der Fossilbefund zeigt, dass die Lebensformen nacheinander entstanden sind. Die Kernthesen des YEC lassen sich daher in wissenschaftlichen Diskussionen nicht mit dem Anspruch auf Geltung vertreten. Das ist mit ein Grund dafür, dass in der öffentlichen Diskussion, vor allem auch außerhalb der USA, Evolution immer mehr auf der Basis des ID angegriffen wird, selbst wenn die Evolutionsgegner YEC zuzuordnen sind.

4 Intelligentes Design (ID)

Für eine eingehendere Analyse des ID ist es sinnvoll, die vorgeblich wissenschaftliche ID-‚Theorie‘ (‚Theorie‘ wird hier bewusst in Anführungszeichen gesetzt, denn die Struktur dieser ‚Theorie‘ unterscheidet sich grundlegend von der in den Naturwissenschaften üblichen) von der so genannten ID-Bewegung zu trennen. Während die ID-‚Theorie‘ als eine Art Signalerkennungstheorie nach Methoden sucht, wie man zeigen kann, dass Objekte nur durch intelligente Eingriffe entstanden sein konnten, versucht die ID-Bewegung, auf diesen Ergebnissen aufbauend, durch eine Widerlegung des Naturalismus letztendlich eine Rechristianisierung der Naturswissenschaften herbeizuführen.

4.1 ID-‚Theorie‘

Den Kernpunkt der ID-‚Theorie‘ hat Johnson, der Begründer des modernen ID, wie folgt charakterisiert: „Intelligente Ursachen können bewirken, was nicht intelligente Ursachen nicht können, und eine naturwissenschaftliche Untersuchung kann diesen Unterschied aufweisen.“ Letztendlich geht es also darum, mit wissenschaftlichen Methoden zu zeigen, dass ungelenkte Mechanismen (darunter verstehen ID-Vertreter alle Prozesse, die allein durch Naturgesetzlichkeiten bewirkt werden können) prinzipiell nicht in der Lage sind, bestimmte, vor allem komplexe, Strukturen zu bilden.

Dembski hat mit seinem so genannten Erklärungsfilter ein systematisches Vorgehen vorgestellt, wie im konkreten Fall zu klären ist, ob Design vorliegt. Nacheinander müssen drei Entscheidungen getroffen werden. Sobald eine Bedingung nicht erfüllt wird, ist die Analyse zu Ende: es liegt kein Design vor.

In einem ersten Schritt muss ausgeschlossen werden, dass ein System aufgrund von Naturgesetzen sozusagen zwangläufig entsteht. Ein Beispiel wäre ein Kochsalzkristall, der beim Eindampfen einer Salzlösung aufgrund der Wechselwirkungen zwischen den Ionen entsteht.

Sollte das nicht der Fall sein, ist zu prüfen, ob das Produkt hinreichend komplex ist. Einfachere Systeme könnten durchaus auch durch Zufall entstehen, ohne dass der Eingriff eines Planers erforderlich wäre. Ein Stein kann durchaus durch Verwitterungsprozesse so verändert werden, dass er wie ein menschlicher Kopf aussieht.

Wenn das System zusätzlich noch dein Eindruck einer auf ein bestimmtes Ziel hin geplanten Zweckmäßigkeit erweckt, dann kann nach Dembski mit Sicherheit behauptet werden, dass es nur durch einen intelligenten Eingriff zustande kommen konnte. Letztendlich wird also zwischen den Alternativen Gesetzlichkeit, Zufall oder Design unterschieden. Entscheidend ist hier nicht die Komplexität eines Systems an sich, sondern die Frage, ob es ohne Planung entstanden sein konnte. Angeblich soll der Filter keine falsch positive Entscheidung ermöglichen, während durchaus denkbar ist, dass ein Designer Systeme schafft, die prinzipiell auch durch natürliche Prozesse ohne Eingriff entstanden sein könnten.

Dembskis Filter funktioniert zuverlässig bei so genannten Artefakten, also Gegenständen, die beispielsweise von Menschen geschaffen wurden. Letztendlich haben solche Gegenstände eins gemeinsam: ihre gesamte Komplexität muss in einer Generation, meist mit den vorliegenden Materialien, aufgebaut werden. In diesen Fällen ist der Schluss auf Design zwingend.

Strittig ist allerdings die eigentlich relevante Frage, ob diese Argumentation auch auf Organismen zutrifft. Diese stehen bekanntlich in einer Generationenfolge, sie sind, wie Darwin sich ausdrückte, zu ‚descent with modification‘ in der Lage. Komplexität kann so im Laufe vieler Generationen schrittweise aufgebaut werden. Im zweiten Knoten in Dembskis Filter ist daher keine eindeutige Entscheidung möglich: selbst wenn das Endprodukt extrem komplex ist, bedeutet das noch lange nicht, dass der in einer Generation zu erreichende Komplexitätszuwachs nicht doch so gering sein könnte, dass er durch die ungelenkte Wirkung der Naturgesetze erreicht werden kann.

Letztendlich ist es die Aufgabe der ID-‚Theorie‘ eine Art Gödel-Satz für empirische Systeme zu formulieren: es müsste gezeigt werden, dass es prinzipiell nicht möglich ist, dass derartige Systeme durch ungelenkte Prozesse entstehen können. Wie ein solcher Beweis aussehen könnte und ob er überhaupt erbracht werden kann, ist nicht bekannt. Es ist eine Bringschuld der ID-‘Theorie‘, diesen Beweis zu erbringen, bevor es im Rahmen der Wissenschaften ernst genommen werden kann.

4.2 ID-Bewegung

Der Ansatz der ID-Bewegung hingegen ist umfassender: es geht letztendlich darum, den Naturalismus zu widerlegen, um so Platz für einen Designer zu schaffen. Falls gezeigt werden könnte, dass bestimmte Strukturen nur durch intelligente Planung entstehen können, würde die Vorstellung eines Schöpfers sozusagen wieder ‚salonfähig‘. Prinzipiell kann man auf diese Weise zwar den Christengott, in dem praktisch alle Mitglieder der ID-Bewegung den intelligenten Designer sehen, nicht beweisen, aber man hätte den wichtigsten Schritt gegen den herrschenden Zeitgeist getan.

Auf die zusätzlichen Argumente der ID-Bewegung, vor allem gegen die Evolutionstheorie, soll nun näher eingegangen werden. Genauer betrachtet handelt es sich beim Angriff des ID auf die Evolution um den Versuch einer Beweislast-Umkehr. ID macht keinen Versuch, eine konsistente Theorie vorzulegen, sondern kritisiert lediglich das, was die konkurrierende Auffassung vertritt. Daher ist nur konsequent, dass ID als Falsifizierung des eigenen Standpunktes betrachtet, sollte es gelingen, einen Sachverhalt naturalistisch zu erklären. ID müsste aber, um als Wissenschaft anerkannt zu werden, konkreter werden. Gefordert wäre beispielsweise, zu zeigen, was man mehr weiß, wenn man von einem Designer ausgeht. ID müsste konkret aufzeigen können, wann denn nun wo welcher Designer wie welche Struktur erschaffen hat. ID lehnt das allerdings explizit ab.

4.2.1 Argumentum ad ignorantiam

Dieses Argument basiert darauf, dass in konkurrierenden Positionen, hier vor allem der Evolutionstheorie, Erklärungslücken aufgezeigt werden. Auf diese Weise kann zwar prinzipiell kein Argument für die eigene Position erbracht werden, aber man kann so durchaus erreichen, dass die gegnerische Position geschwächt wird.

Gegen dieses Argument kann eingewendet werden, dass Erklärungslücken kein Einwand gegen eine Theorie in den empirischen Wissenschaften darstellen, weil unser Wissen immer begrenzt ist. Daher muss die Argumentation auf der Basis positiver Befunde erfolgen: man baut Theorien auf dem auf, was bekannt ist. Gefordert wäre also nicht, zu zeigen, was die naturalistische Wissenschaft nicht erklären kann, sondern eine erklärungsmächtigere Alternative vorzuschlagen.

4.2.2 Wahrscheinlichkeitsargumente

Hier werden Berechnungen angestellt, die aufzeigen sollen, dass bestimmte Systeme deshalb nicht ohne schöpferische Eingriffe entstanden sein können, weil es so viele alternative Kombinationsmöglichkeiten gibt, dass die gesuchte Alternative in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht entstehen kann.

Ein erster Einwand gegen diese Art Berechnungen besteht darin, dass es in der Biologie praktisch nie darum geht, aus einem Gemisch aus Komponenten in einem Schritt ein bestimmtes System zu erhalten. In den wenigen Fällen, in denen so etwas angenommen werden muss (ein Beispiel wäre die Entstehung der Bausteine für die ersten lebenden Systeme), ist nicht erforderlich, dass ein ganz bestimmtes Produkt entsteht, es genügt, falls eins entstehen kann, das die erforderliche Aufgabe erledigt. In den meisten Fällen ist nicht bekannt, auf welchen Prozentsatz der möglichen Kombinationen das zutrifft. Daher sind Berechnungen kaum sinnvoll möglich.

In den üblichen Fällen, in denen es um die Veränderung eines schon bestehenden funktionierenden Systems geht, wird bei diesen Überlegungen meist nicht beachtet, dass Evolution ein Zwei-Schritte-Mechanismus ist. In einem ersten Schritt entstehen zufällig Abweichungen (‚Mutationen‘), aus denen dann in einem zweiten Schritt die hinsichtlich einer zu erfüllenden Funktion geeignetsten selektiert werden. Die Wahrscheinlichkeit für das Entstehen der Ausgangsstruktur aus einer zufälligen Kombination der Komponenten spielt hier keine Rolle, zudem kann eine eventuell erforderliche Komplexitätszunahme wieder auf viele Schritte verteilt werden.

4.2.3 Irreduzible Komplexität (IC)

Irreduzibel komplexe Strukturen (IC) sind dadurch gekennzeichnet, dass sie aus einer Reihe von interagierenden Teilen zusammengesetzt sind und das Fehlen einer einzigen Komponente die Funktionalität des Gesamtsystems zerstört. Behe, der dieses Argument in die Diskussion eingebracht hat, führt als Veranschaulichung oft eine Mausefalle an: egal, welches Teil entfernt wird, auf jeden Fall kann die Mausefalle dann nicht mehr funktionieren. Ein schrittweise erfolgender Aufbau über kleine, jeweils selektionspositive Strukturen ist daher nicht möglich, weil die Selektion keinen Ansatzpunkt hat, denn die Funktion kommt erst dem Gesamtsystem zu. Ein System, das schlecht Mäuse fängt, könnte durchaus dahingehend verbessert werden, dass es besser Mäuse fangen kann, wenn es sich vermehrt und dabei sich jeweils die Formen bevorzugt fortpflanzen, die besser Mäuse fangen. Es ist aber nicht möglich, aus einem System, das gar keine Mäuse fängt, auf diese Weise ein System zu schaffen, das Mäuse fängt.

Dieser Einwand trifft zwar eine bestimmte Auffassung von Evolution, die man auch als Gradualismus bezeichnet: eine derartige Struktur kann nicht über kleine, jeweils von der Selektion begünstigte Zwischenschritte entstehen. Dadurch ist aber nicht gezeigt, dass ein derartiges System prinzipiell nicht ohne Designer entstehen kann. Auf der einen Seite kann die IC-Struktur aus einem umfassenderen System dadurch entstanden sein, dass alle redundanten Teile entfernt wurden. Auf der anderen Seite können sich Teilstrukturen, die in anderen Kontexten entstanden sind, zusammenlagern, wobei in einem Schritt eine neue funktionierende Struktur entsteht.

4.3 Analogieschlüsse

Diese Argumentation erfolgt in der Regel durch Beispiele aus dem Bereich der Artefakte, also von Menschen geschaffenen Gegenständen. Aus der Lebenspraxis wissen wir, dass es möglich ist, Gegenstände zu erzeugen, die ohne menschliche Eingriffe nicht ‚einfach so‘ entstehen können. Daraus wird von ID-Vertretern geschlossen, dass Intelligenz in Form von nicht-menschlichen Eingriffen die Strukturen im Bereich der Lebewesen schaffen konnte, welche naturalistisch nicht erklärt werden können.

Bei diesem Schluss handelt es sich um das einzige sozusagen ‚positive‘ Argument: aus dem Wissen über Artefakte und menschliche Designer wird auf die Notwendigkeit eines Schöpfer auch für Organismen geschlossen. Analogieschlüsse sind aber die anerkannt schwächste Stufe von Argumenten. Sie beruhen darauf, dass zwei Systemen, die durch eine gemeinsame Eigenschaft verbunden sind, aufgrund dieser Gemeinsamkeit auch andere gemeinsame Eigenschaften zugeschrieben werden. Wenn also beispielsweise Artefakte so komplex sind, dass sie nur durch menschliche Eingriffe entstanden sein konnten, müssen auch Organismen erschaffen sein, weil sie komplex sind. Dieser Schluss ist aber nicht zwingend, denn es ist ja gerade zu zeigen, dass die andere Eigenschaft mit der gemeinsamen gekoppelt auftritt.

4.4 Eliminative Induktion

Wenn man alle Möglichkeiten, einen Sachverhalt zu erklären, auflistet, und kann dann alle bis auf eine widerlegen, muss die letzte Alternative gültig sein, selbst wenn man keine weitere Begründung für diesen Möglichkeit angeben kann.

Das Problem im Kontext der Diskussion um ID besteht allerdings darin, dass wir längst noch nicht alle Möglichkeiten kennen, wie bestimmte Strukturen, vor allem Organismen, entstanden sein konnten. Neben den bekannten Alternativen müssten wir auch die unbekannten widerlegen, was selbstverständlich nicht möglich ist. Eine leicht abgewandelte Variante dieser Argumentation besteht darin, das Problem auf zwei Alternativen zu reduzieren, eine davon zu widerlegen und daraus auf die Gültigkeit der anderen zu schließen. ID-Vertreter argumentieren daher so: komplexe Strukturen können entweder durch ungelenkte Mechanismen entstehen, oder ein Designer hat sie erschaffen. Nun kann gezeigt werden, dass diese Strukturen nicht durch ungelenkte Mechanismen entstanden sein können, daher muss ein Designer am Werke gewesen sein. Aber auch diese Möglichkeit scheitert daran, dass man ein System so genau kennen müsste, dass man mit Sicherheit ausschließen kann, dass es ohne Eingriffe eines Designers entstanden sein konnte. Im Falle von Organismen sind wir von so weit reichenden Kenntnissen weit entfernt.

4.5 ID-Bewegung: Fazit

Bis auf den Analogieschluss ist allen genannten Argumente ist gemeinsam, dass sie nicht für die eigene, sondern gegen konkurrierende Positionen gerichtet sind. ID an sich kann daher nicht zu einem Erkenntnisgewinn führen, denn es schlägt keine alternativen Mechanismen vor, die man prüfen könnte. Was weiß man mehr, wenn man ‚es ist nicht bekannt, wie diese Struktur entstanden sein könnte‘ durch ‚ein Designer hat diese Struktur irgendwie geschaffen‘ ersetzt?

ID kann allerdings in gewisser Weise die Forschung durchaus fördern: durch das Hinterfragen allgemein anerkannter Erklärungen können durchaus neue Forschungen angeregt werden. Die Diskussion mit ID-Vertretern zwingt daher, genauer zu beachten, was tatsächlich schon geklärt ist, und wo offene Fragen möglicherweise nicht hinreichend beachtet werden. Aber das könnte problemlos auch durch eine kritischere Haltung im Rahmen des Naturalismus erzielt werden.

5 Diskussion mit Evolutionsgegnern

5.1 Kreationisten

Die Strategie gegen Kreationisten im engen Sinne ist einfach: sie erheben den Anspruch, ihre Position wissenschaftlich vertreten zu können, und genau die Einlösung dieses Anspruchs sollte man einfordern. Der Kreationismus geht davon aus, dass die Antworten auf viele Fragen, beispielsweise der Entstehung der Arten, in der Bibel geoffenbart worden sind. Dass das nicht der Fall ist, kann man leicht zeigen.

Wesentlich schwieriger hingegen ist die Diskussion mit Evolutionsgegnern, die auf der Basis des ID argumentieren. Eine zusätzliche Komplikation ergibt sich dadurch, dass viele Kreationisten, die eigentlich konkrete Inhalte vertreten müssten, in der Diskussion auf der ID-Ebene verbleiben. Sollte bekannt sein, dass der Diskussionsgegner Kreationist im engen Wortsinn ist, bietet es sich daher an, vor allem gegen Kreationismus zu argumentieren. Man kann hier darauf aufmerksam machen, dass es letztendlich um einen Kampf zweier Weltbilder handelt, und es würde eine Art kopernikanische Wende eingefordert, bei der ein bewährtes Weltbild durch ein anderes ersetzt werden soll. Es ist leicht einsichtig, dass sich das kreationistische Weltbild nicht bewährt hat.

5.2 Intelligent Design

Gegen ‚reines ID‘ hingegen ist schwer zu argumentieren, weil es letztendlich nichts behauptet. Die Existenz eines Designers ist unmöglich zu widerlegen, und auf die gegen Wissenslücken der Evolutionstheorie vorgebrachten Argumente ist nur schwer einzugehen. Die Argumentation müsste dann eigentlich auf der Ebene der Wissenschaftstheorie erfolgen, was die meisten Zuhörer überfordern würde.

5.2.1 Soll man überhaupt, vor allem öffentlich, diskutieren?

Evolutionsgegner, die mit ID argumentieren, sind meist sehr gut über die Ergebnisse der Evolutionsforschung informiert, oft sogar besser als Menschen, die von einer naturalistischen Evolution überzeugt sind. Sie haben haben sich zudem meist speziell mit den Erklärungslücken beschäftigt, die in den üblichen Lehrbüchern nicht oder nur am Rande erwähnt werden, weil die Argumentation wie in den Naturwissenschaften üblich auf dem basiert, was bereits bekannt ist. Man benötigt sehr fundierte Fachkenntnisse, um auf diese Einwände eingehen zu können. Noch frustrierender kann sein, dass die für die Diskussion erforderlichen Befunde schlicht und ergreifend fehlen. Eine Diskussion mit dem Anspruch auf eine Entscheidung ist dann nicht möglich: es ist zumindest derzeit nicht bekannt, wie bestimmte Strukturen durch die bekannten Evolutionsmechanismen entstanden sind oder auch nur, wie sie plausibel entstanden sein konnten. In den meisten Fällen stehen nur die Endpunkte einer Entwicklungsreihe in Form der derzeit lebenden Organismen zur Verfügung, wie sollen geklärt werden, aufgrund welcher Mechanismen die Entwicklung stattfand? Eingriffe eines Designers in ferner Vergangenheit können zudem prinzipiell nicht ausgeschlossen werden.

Im Lauf der Diskussion kann sich dann eine Art ‚Patt‘ herausstellen: die naturalistische Seite kann mangels Forschungsergebnissen nicht zeigen, dass bestimmte Strukturen ohne Eingriffe eines Planers entstanden sein konnten, der ID-Vertreter hingegen kann nicht zeigen, dass aus dem derzeitigen Kenntnistand folgt, dass eine naturalistische Erklärung prinzipiell nicht möglich ist.

In letzter Konsequenz versuchen die ID-Vertreter eine Beweislast-Umkehr: solange die Evolutionsforscher nicht belegen können, dass Evolution ohne Designer möglich ist, gilt ein Designer als Standard. Das ist sozusagen ein erschlichener Gottesbeweis, denn aus der Tatsache, dass ein Phänomen zurzeit nicht naturalistisch erklärbar ist, folgt nichts. Eine Wissenslücke ist eine Wissenslücke, kein Hinweis auf einen Designer.

Letztendlich dreht sich die Diskussion dann um die Frage, welche Vorgehensweise in den Naturwissenschaften am fruchtbarsten ist. Es ist dann Aufgabe des ID-Vertreters zu zeigen, was man gewinnt, wenn man den Naturalismus aufgibt und von Eingriffen eines Designers ausgeht. Aber auch das kann zu einer Art Patt führen: solange man nicht zeigen kann, inwiefern die Annahme von Design den Fortschritt hemmt, gibt es eigentlich kein Argument dafür, ID zu bekämpfen. Die Zeit muss dann zeigen, welche Auffassung fruchtbarer ist.

Daher stellt sich die Frage, ob es letztendlich überhaupt Sinn macht, mit ID-Vertretern zu diskutieren, weil man kaum ‚gewinnen‘ kann. So schwach die Argumente für ID auch sein mögen, das ‚Angriffspotenzial‘ dieser Auffassung sollte man nicht unterschätzen. Es besteht immer die Gefahr, dass Menschen, die zu große Erwartungen an die Ergebnisse der Naturwissenschaften gestellt haben, die Diskussion verfolgen und durch diese Argumente in Zweifel geraten, die dann dazu führen, einen Designer als Erklärungsmechanismus in Betracht zu ziehen.

5.2.2 Argumente, die man gegen ID besser nicht verwenden sollte

Viele Argumente, die gegen Kreationismus im Sinne von YEC durchaus Sinn machten, sind gegen ID-Vertreter wirkungslos. Man sollte sie daher auf jeden Fall vermeiden. Die folgende Liste ist nicht vollständig, sollte aber deutlich machen, wie schwierig die Diskussion werden kann.

5.2.2.1 ID ist eine Religion

ID ist auf keine bestimmte Offenbarung festgelegt und kann daher ohne jeden Bezug zu einer konkreten Religion vertreten werden. ID erhebt lediglich den Anspruch, zeigen zu können, dass es Systeme gibt, die nicht ohne planende Eingriffe entstehen konnten. Es macht weder Aussagen über die Beschaffenheit des Designers noch über die Art und Weise, wie er eingreift bzw. eingegriffen hat.

Selbstverständlich ist das keine Stärke sondern eine Schwäche für eine Position (streng genommen behauptet ID ja gar nichts), aber es macht dann keinen Sinn, Argumente gegen ID auf die Aussagen einer Religion zu stützen.

5.2.2.2 ID wird nur aus religiösen Motiven vertreten

Natürlich ist auffällig, dass ID nahezu ausschließlich von Menschen vertreten wird, die sich zu einer Religion bekennen und im Designer den Gott des jeweiligen Glaubens (meist sind ID-Vertreter Christen, aber auch Muslime oder Anhänger anderer Religionen) sehen. Die meisten ID-Vertreter betonen aber, dass die ID-‚Theorie‘ unabhängig von deren Glauben sei und dass ID allein keine Bestätigung für den geoffenbarten Glauben sein kann.

In einer Diskussion wäre dieses Argument daher problematisch. Auf der einen Seite kann man durchaus vertreten, dass ID als Signalerkennungstheorie rein wissenschaftlich betrieben werden kann. Auf der anderen Seite kann auch Naturalisten vorgehalten werden, dass sie eine quasi-religiöse Agenda haben. Dawkins hat das sehr deutlich gemacht: es ist nur durch die Evolutionstheorie möglich, ein ‚intellectually fulfilled atheist‘ zu sein. So könnte der Eindruck erweckt werden, dass nur zwei Ideologien gegeneinander antreten.

5.2.2.3 ID behindert den Fortschritt oder macht gar Wissenschaft unmöglich

ID behauptet, dass umso leichter gezeigt werden kann, dass naturalistische Mechanismen nicht ausreichen, Systeme zu schaffen, je genauer man diese kennt. Daher liegt es im Interesse von ID, alle Systeme möglichst genau zu erforschen. ID hat daher keinen Grund, die Wissenschaft zu behindern. Zudem erkennt ID an, dass die Forschung methodisch naturalistisch zu erfolgen hat. In der Praxis würde ein ID-Vertreter daher methodisch genauso forschen wie jeder andere Forscher. Es ist aber zu befürchten, dass er nicht bereit ist, Befunde, die seinem Bedürfnis auf Existenz eines wie auch immer gearteten Designers widersprechen, vorbehaltlos zu akzeptieren.

5.2.2.4 ID ist mit schlechtem Design in der Natur nicht vereinbar

Dieses Argument basiert darauf, dass einem Schöpfer bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden. Wenn man beispielsweise davon ausgeht, dass ein Schöpfer allmächtig ist, wäre schlechtes Design durchaus eine Argument zumindest gegen diese Eigenschaft des Schöpfers. ID macht aber keine Aussage über den Designer, daher ist schlechtes Design kein Problem für diese Auffassung.

5.2.2.5 Die Aufklärung einer Abstammungsreihe widerlegt Design

In vielen Fällen, beispielsweise bei IC-Strukturen, wird als Argument gegen ID vorgebracht, dass Vorläufer-Strukturen bekannt sind. ID befasst sich aber ausschließlich mit den Mechanismen, die derartige Strukturen hervorbringen. Viele ID-Vertreter erkennen sogar eine Deszendenz, also die Abstammung der Lebewesen voneinander, an und bezweifeln nur, dass dieser Prozess ohne planerische Eingriffe erfolgen konnte.

6 Schlussbetrachtung

Während in der öffentlichen Diskussion zumindest in Deutschland Kreationismus kaum noch eine Rolle spielt, könnte ID durchaus zu einer ernsten Bedrohung für die naturalistische Forschung werden. ID vermeidet die allzu unplausiblen Behauptungen einer wortwörtlichen Bibel-Auslegung und versucht, durch Aufzeigen von Kenntnislücken Platz für einen Designer zu schaffen, der dann in einem zweiten Schritt mit dem Gott der biblischen Offenbarung gleichgesetzt wird. Es sollte deutlich geworden sein, dass ID keine tragfähige Alternative zur naturalistischen Forschung sein kann, weil es keinerlei prüfbare Aussagen macht, die zu mehr Erkenntnissen führen oder auch nur heuristisch fruchtbar sind.

7 Literaturhinweise

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Waschke, T. (2003) 'Intelligent Design: Eine Alternative zur naturalistischen Wissenschaft?' Skeptiker 16:128-136

Woodward, T. (2004) 'Doubts About Darwin: A History of Intelligent Design' , Baker Books

Young, M.; Edis, T. (2004) 'Why Intelligent Design Fails. A Scientific Critique of New Creationism' New Brunswick; New Jersey; London, Rutgers University Press

Auf meiner Webseite habe ich unter http://www.waschke.de/mensa.htm eine kommentierte Literatur- und Linkliste erstellt. Sie können mich auch gerne per Mail (thomas@waschke.de) ansprechen.