Übertragungen

Hinweis: Beim Übertragen der englischen Texte habe ich mir selbstverständlich viel Mühe gegeben. Ich bin aber kein ausgebildeter Übersetzer und möchte Sie daher bitten, auf jeden Fall das englische Original zu verwenden, falls Sie Einwände gegen Shermers Thesen haben sollten. Es wäre mir peinlich, falls Sie davon ausgehen würden, dass Shermer etwas behauptet hat, was nur auf einer falschen Übertragung meinerseits beruht.

Sollten Sie Übertragungsfehler finden, wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir diese per E-Mail mitteilen würden. Ich werde Ihre Korrekturen dann schnellstmöglich einarbeiten.

Hume's 'narrensicheres' Rezept für die Beurteilung von 'Wundern'

Noch wichtiger ist Hume's narrensichere Analyse von Behauptungen über Wunder, die auch dann noch anwendbar ist, wenn alle anderen Versuche schon gescheitert sind. Hume schlug für den Fall, wenn man es mit einem aufrichtigen Menschen zu tun hat, der eine Behauptung über ein übernatürliches oder paranormales Phänomen macht, für das es keine offensichtliche natürliche Erklärung gibt, eine Überlegung vor, die er für so wichtig hielt, dass er seine eigenen Worte als Zitat markierte und sie als eine Maxime bezeichnete:

"Die klar ersichtliche Konsequenz daraus ist (und sie ist eine allgemeine Maxime, die unserer Beachtung würdig ist):

"Dass kein Bericht ausreichend ist, ein Wunder zu bestätigen, solange dieser Bericht nicht von solcher Art ist, dass seine Falschheit noch wunderbarer wäre als die 'Tatsache', die durch ihn bezeugt werden sollte.""

[ Original-Text ]

1. Die Theorie beeinflusst das Denken

Die Theorie konstruiert in bestimmtem Umfang die Wirklichkeit. Selbstverständlich existiert eine Wirklichkeit unabhängig vom Beobachter, aber unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit wird von unseren Vorstellungen über dieselbe bedingt. Deshalb nennen Philosophen die Naturwissenschaft 'theoriegeladen'.

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2. Der Beobachter verändert das Beobachtete

[ ... ] die Beobachtung eines Vorgangs kann diesen verändern. Sozialwissenschaftler treffen oft auf dieses Phäonmen. Anthropologen wissen, dass das Verhalten von Mitgliedern eines Stammes durch die Tatsache, dass sie durch einen Fremden beobachtet werden, verändert werden kann. Die Versuchspersonen in einem psychologischen Experiment ändern möglicherweise ihr Verhalten, wenn sie wissen, welche Hypothesen getestet werden sollen. Deshalb verwenden Psychologen Blind- und Doppel-Blind-Kontrollen. Diese Kontrollen vermisst man oft in Tests von pseudonomalen Kräften und es handelt sich dabei um einen der klassischen Wege, warum Denkfehler in den Pseudo-Wissenschaften auftauchen. Wissenschaften versuchen die Effekte der Beobachtung auf das Verhalten der Beobachteten zu minimieren und zu erkennen; das ist bei Pseudo-Wissenschaften nicht der Fall.

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  3. Laboratoriumsartefakte

Eddington verdeutlichte das Problem mit einer treffende Analogie:

Ein Ichthyologe erforscht das Leben im Ozean. Er wirft ein Netz ins Wasser und bringt eine Reihe von Fischen an die Oberfläche. Er durchsucht seinen Fang und geht dann in der üblichen Weise vor, mit der Naturwissenschaftler derartige Funde systematisch ordnen. Er gelangt dadurch zu zwei Schlussfolgerungen:

1. Es gibt im Meer keine Lebewesen, die kleiner als 2 Zoll sind.

2. Alle Lebewesen im Meer haben Kiemen.

In diesem Beispiel symbolisiert der Fang den Fundus an Beobachtungstatsachen, das die Naturwissenschaft ausmacht, das Netz steht für die sensorische und intellektuelle Ausrüstung, die wir zu dessen Erwerb verwenden. Das Auswerfen des Netzes veranschaulicht Beobachtungen.

Ein Betrachter mag einwenden, dass die erste Verallgemeinerung falsch ist: "Es gibt sehr viele Lebewesen im Meer, die weniger als zwei Zoll groß sind, Dein Netz erfasst sie lediglich nicht." Der Ichthyologe verwirft diesen Einwand leidenschaftlich: "Alles, was sich mit meinem Netz nicht fangen lässt, befindet sich jenseits des Erkenntnishorizonts der Ichthyologen, und es gehört nicht zum Reich der Fische, wie es als Bereich der Ichthyologie definiert wurde. Kurz, was mein Netz nicht fangen kann, ist kein Fisch." (1958, S. 16)

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4. Anekdoten begründen keine Wissenschaft

Ohne Bestätigung durch andere Quellen oder durch entsprechende Nachweise sind 10 Anekdoten nicht besser als eine, und hundert nicht besser als 10. Anekdoten werden durch fehlbare menschliche Geschichtenerzähler verbreitet.

[ ... ] Histörchen über die Heilung von Tante Mary's Krebs durch Sehen von Marx-Brothers-Filmen oder Einnahme eines Extrakts aus der Leber kastrierter Hühner sind bedeutungslos.

[Shermer schildert dann die korrekte wissenschaftliche Vorgehensweise auf die ich im Text ausführlich eingehe, T.W.]

[ Original-Text ]

5. Wissenschaftsjargon garantiert nicht Wissenschaftlichkeit

Wenn man einem Glaubenssystem ein Mäntelchen wissenschaftlich klingender Bezeichnungen umhängt, wie das beispielsweise in 'Schöpfungs-Wissenschaft' der Fall ist, bedeutet das noch gar nichts, wenn es keine Beweise, experimentelle Prüfungen oder Bestätigungen gibt. Weil die Naturwissenschaft einen hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft besitzt, versuchen diejenigen Gruppen, die gerne Ansehen gewinnen ohne dafür Belege zu haben, diesen Mangel dadurch auszugleichen, dass sie ihre Thesen als 'wissenschaftlich' bezeichnen und eine wissenschaftlich klingende Fachsprache aufbauen.

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6. Kühne Behauptungen sind keine Wahrheitsbeweise

Eine These ist vermutlich pseudowissenschaftlich, wenn überzogene Ansprüche für ihre Bedeutung erhoben werden, aber die diesbezüglichen Belege spärlich sind. L. Ron Hubbard beispielsweise beginnt sein Buch Dianetics: The Modern Science of Mental Health mit der Behauptung: "Die Schaffung der Dianetik ist ein Meilenstein für die Menschheit, vergleichbar mit der Entdeckung des Feuers und noch bedeutsamer als die des Rades und des Bogens." (aus Gardner, 1952, S. 263). [ ... ] Möglicherweise werden 50 Jahre Physik durch ein einziges Experiment widerlegt, es ist aber nicht ratsam, daraus wichtige Konsequenzen zu ziehen bevor es nicht wiederholt wurde. Die Lehre daraus ist, dass eine Behauptung um so sorgfältiger gesichert werden muss, je bedeutsamer sie ist.

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7. Außenseitertum bedeutet noch nicht, dass eine Position stimmt

Der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer wird oft von Außenseitern zitiert: "Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien. Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt." Das gilt aber nicht für 'jede Wahrheit'. Sehr viele Wahrheiten wurden ohne Lächerlichmachen oder Widerstand, ob heftig oder nicht, anerkannt. [ ... ] Schopenhauers Satz ist nur eine Rationalisierung, eine überzogene Auffassung von denen, die lächerlich gemacht oder heftig bekämpft werden, um zu sagen: "Schau, ich muss doch Recht haben." Das stimmt aber nicht.

Die Geschichte ist voll mit Erzählungen vom einsamen Wissenschaftler, der im Gegensatz zu den Doktrinen seiner Kollegen, die auf demselben Gebiet arbeiten, forscht. Die meisten davon hatten Unrecht und niemand erinnert sich an ihre Namen. [ ... ] Man kann nicht erwarten, dass die Gemeinschaft der Naturwissenschaftler jede noch so abseitige Behauptung ernsthaft prüft, vor allem, wenn so viele logisch inkonsistent sind. Wenn man wissenschaftlich arbeiten will, muss man die Regeln kennen. Das umfasst, dass man die relevanten Forscher im jeweiligen Arbeitsbereich kennt, informell Informationen mit ihnen austauscht, in geeigneter Form Ergebnisse auf Konferenzen vorstellt und in Zeitschriften veröffentlicht, die von Fachkollegen redigiert werden und so weiter.

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8. Wer ist beweispflichtig?

Wer eine außergewönliche Behauptung aufstellt, ist gegenüber den Fachleuten und der Gemeinschaft insgesamt verpflichtet, zu beweisen, dass seine Auffassung über mehr Gewicht verfügt als das, was nahezu jeder akzeptiert. Man muss für seine Meinung eintreten, wenn man gehört werden will. Dann muss man Experten auf seine Seite ziehen, um die Mehrheit davon zu überzeugen, dass sie nun die neue Auffassung über die stellen sollten, die sie bisher vertreten haben. Schließlich kehrt sich die Beweislast um, nachdem es gelungen ist, die eigene Auffassung als die Mehrheitsmeinung zu etablieren und ein neue Außenseitermeinung auftaucht. [ ... ] Mit anderen Worten, es reicht nicht, seine Auffassung begründen zu können. Man muss andere von der Gültigkeit dieser Beweise überzeugen. Solange man ein Außenseiter ist, ist das der Preis, den man bezahlen muss, unabhängig davon, ob man Recht hat oder nicht.

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9. Gerüchte sind keine Tatsachen

Gerüchte beginnen mit "Ich habe irgendwo gelesen, dass ..." oder "Jemand hat mir erzählt, dass ...". Kurz darauf werden die Gerüchte Tatsachen, indem "Ich weiß, dass ..." von Person zu Person weitererzählt wird. Selbstverständlich können Gerüchte wahr sein, aber üblicherweise sind sie es nicht.

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10. Ungeklärt heißt nicht unerklärbar

Viele Menschen sind vermessen genug, anzunehmen, dass etwas, das sie sich nicht erklären können, gar nicht erklärbar ist und daher ein echtes Geheimnis des Paranormalen sein muss. [...]. Es gibt viele echte ungelöste Geheimnisse im Universum und es ist in Ordnung, zu sagen "Wir können uns das jetzt noch nicht erklären, möglicherweise werden wir das irgendwann können". Das Problem besteht darin, dass es die meisten von uns angenehmer empfinden, Gewissheit zu haben, selbst wenn sie vorläufig ist, als mit ungelösten oder ungeklärten Geheimnissen zu legen.

[ Original-Text ]

11. Irrtümer werden rationalisiert

In den Naturwissenschaften kann der Wert von negativen Befunden - Fehlschlägen - gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Üblicherweise sind sie nicht erwünscht und werden daher oft nicht veröffentlicht. Aber in den meisten Fällen sind es genau diese Fehlschäge, die uns der Wahrheit näherbringen. Seriöse Wissenschaftler werden ihre Irrtümer bereitwillig zugeben, aber alle Wissenschaftler werden dadurch auf dem rechten Weg gehalten, dass ihre Kollegen jeglichen Versuch zu betrügen öffentlich machen werden. Das ist bei Pseudowissenschaftlern nicht der Fall. Sie ignorieren oder rationalisieren Fehlschläge, vor allem, wenn sie darauf hingewiesen werden.

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12. Korrelation ist nicht Kausalität

Diese Haltung ist auch als "post hoc, ergo propter hoc", wörtlich übersetzt "nach diesem, deshalb wegen diesem". Grundsätzlich ist das eine Art Aberglaube. [...] Wie uns schon Hume klarlegte, folgt aus dem Umstand, dass zwei Ereignisse aufeinanderfolgen, noch nicht, dass sie kausal verbunden sind. Korrelation bedeutet nicht Verursachung.

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13. Die Zufälligkeit gleichzeitiger Ereignisse

In der Welt des Paranormalen werden Zufälle oft als zutiefst bedeutsam angesehen. "Synchronizitität" wird ins Spiel gebracht, als ob eine geheimnisvolle Kraft hinter der Bühne im Spiel wäre. Aber ich sehe in Synchronizität nicht mehr als eine Form von Zufall - ein Zusammentreffen von zwei oder mehr Ereignissen ohne inneren Zusammenhang. Wenn diese Verknüpfung auf eine Art und Weise erfolgt, die angesichts unserer intuitiven Erfassung der Wahrscheinlichkeitsgesetze unmöglich erscheint, neigen wir dazu, anzunehmen, dass irgendetwas Geheimnisvolles am Werk ist.

Die meisten Menschen kennen sich aber mit den Gesetzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung sehr schlecht aus. [...] Der Verhaltenspsychologe Skinner bewies durch Labor-Experimente, dass das menschliche Denken Beziehungen zwischen Ereignissen sucht und oft auch findet, selbst wenn es gar keine gibt. Münzspielautomaten sind auf diesen Skinnerschen Grundlagen von intermittierender Verstärkung konstruiert. Der tumbe Mensch benötigt genauso wie die tumbe Ratte nur einen gelegentlichen Gewinn um pausenlos die Tasten zu drücken. Einbildung erledigt den Rest.

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14. Repräsentanz

Schon Aristoteles sagte: "Die Summe der möglichen Ereignisse ist gleich der Sicherheit". Wir vergessen die meisten der bedeutungslosen Ereignisse und erinnern uns an die bedeutsamen. Unsere Neigung dazu, Treffer zu erinnern und fehlerhafte Voraussagen zu vergessen, ist das Brot und Butter der Hellseher, Propheten und Kaffeesatzleser, die jeden 1. Januar Vorhersagen machen. Zunächst erhöhen sie die Vorhersage für einen Treffer, indem sie sehr wahrscheinlich zutreffende allgemeine Aussagen wie "Im Süden Kaliforniens wird es ein größeres Erdbeben geben" oder "Ich sehe Probleme für die Königliche Familie" machen. Im Januar des nächsten Jahres veröffentlichen sie dann ihre Treffer, verschweigen ihre Nieten und hoffen, dass sich niemand die Mühe gemacht hat, eine Statistik zu erstellen.

Wir müssen immer auf den umfassenden Kontext achten, in welchem ein anscheinend ungewöhnliches Ereignis erfolgt und wir müssen immer untersuchen, wie repräsentiv ein Ereignis für diese Klasse von Ereignissen ist.

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15. Emotionsgeladene Begriffe und falsche Analogien

Emotionsgeladene Begriffe werden dazu verwendet, um Emotionen hervorzurufen und manchmal ein rationales Vorgehen zu verhindern. Das können positiv besetzte Begriffe wie Mutterschaft, Amerika, Integriät, Ehrenhaftigkeit sein. Oder auch negativ besetzte wie Vergewaltigung, Krebs, Übel, Kommunist. So können auch Metaphern oder Analogien das Denken mit Emotionen vernebeln oder uns auf einen unwichtigen Seitenweg führen. [...] Es handelt sich dabei nur um rhetorische Techniken.

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16. Ad Ignorantiam

Darunter versteht man eine Anspielung auf Unwissen oder mangelndes Wissen und ist mit der Frage der Beweislast und dem Fehlschluss, dass nicht erklärbar ist, was nicht erklärt ist, verwandt. Dabei behauptet jemand, dass eine These, die man nicht widerlegen kann, wahr sein muss. Beispielsweise, es muss eine psychische Kraft geben, wenn man nicht beweisen kann, dass es keine gibt. [...] In den Naturwissenschaften zählen nur positive Evidenzen für eine These, nicht fehlende Evidenzen für oder gegen eine These.

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17. Ad Hominem und Tu Quoque

Wörtlich übersetzt "für den Menschen" und "Du auch" versucht man mit diesen Fehlschlüssen vom Denken über eine Sache auf die Person abzulenken, die eine These vertritt. Das Ziel eines ad hominem-Arguments ist, den Vertreter derselben herabzusetzen und damit die Sache als solche zu diskreditieren. Wenn man jemanden einen Atheisten, Kommunisten, Kinderschänder oder Neo-Nazi nennt, hat das eigentlich keinerlei Einfluss auf die Gültigkeit einer These, die er vertritt. Es mag nützlich sein, zu wissen, ob jemand einer bestimmten Religion angehört oder einer bestimmten Ideologie anhängt, falls das seine Forschungen möglicherweise beeinflussen könnte, aber seine Thesen müssen als solche widerlegt werden.

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18. Vorschnelle Verallgemeinerung

In der Logik versteht man unter vorschneller Verallgemeinerung eine Art der unzulässigen Induktion. Im täglichen Leben nennt man sie Vorurteil. In beiden Fällen werden Schlüsse gezogen, ohne dass die Fakten dies ermöglichten. Das hängt möglicherweise damit zusammen, dass unsere Gehirne daraufhin evolvierten, ständig nach Zusammenhängen zwischen Ereignissen und Ursachen zu suchen. Deshalb ist sie der häufigste Fehlschluss. [...] In den Naturwissenschaft müssen wir sorgfältig so viel Informationen wie möglich sammeln, bevor wir unsere Schlüsse ziehen.

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19. Übermäßiges Vertrauen auf Autoritäten

Wir neigen in unserer Kultur dazu, sehr auf Autoritäten zu vertrauen, vor allem, wenn die Autorität als sehr intelligent eingeschätzt wird. [...] Der Magier James Rand macht sich einen Spass daraus, Autoritäten mit PhDs hinter's Licht zu führen - sobald diese ihren Titel erhalten haben, sagt er, finden sie es fast unmöglich, zwei Dinge zu sagen: "Ich weiß es nicht" und "Ich habe mich geirrt". Autoritäten mögen aufgrund ihrer Kenntnisse in einem bestimmten Gebiet dort eine bessere Chance haben, Recht zu haben, aber das ist nicht sicher, und ihre Kenntnis qualifiziert sie nicht notwendigerweise dazu, auf anderen Gebieten Schlüsse zu ziehen.

In anderen Worten: es macht schon einen Unterschied, wer eine Behauptung aufstellt. [...] Während Expertentum durchaus sinnvoll ist, die Spreu vom Weizen zu trennen, ist es gefährlich entweder (1) eine falsche Auffassung zu akzeptieren, nur weil sie jemand vertritt, den wir anerkennen (falsch positiv) oder (2) eine richtige Auffassung zu verwerfen, nur weil sie von jemandem vertreten wird, den wir nicht anerkennen (falsch negativ). Wie können wir solche Irrtümer vermeiden? Die Beweislage untersuchen.

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20 Entweder-Oder

Auch bekannt als der Fehlschluss der Negation oder das falsche Dilemma. Es ist die Tendenz, die Welt so in zwei Schubladen einzuteilen, dass wenn man eine Haltung widerlegt, der Beobachter dazu gebracht wird, die andere zu akzeptieren. [...] Wenn eine Theorie besser sein soll, muss sie nicht nur die "normalen" Daten, die von der alten Theorie erklärt werden, ebenso erklären und darüber hinaus die "Anomalien", die die alte Theorie nicht erklären konnte. Eine neue Theorie braucht positive Befunde, die sie stützen, nicht nur Widerlegungen der gegenteiligen Auffassung.

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21. Zirkelschlüsse

Auch bekannt als Fehlschluss der Redundanz, die Frage erbetteln oder Tautologie. Sie treten auf, wenn die Schlussfolgerung oder die Behauptung lediglich eine Umformulierung der Prämissen ist. [...] Offensichtlich kann eine tautologische Arbeitsdefinition durchaus nützlich sein. Allerdings müssen wir, so schwer das auch sein mag, versuchen, operationale Definitionen zu formulieren, die getestet, falsifiziert und widerlegt werden können.

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22. Reductio ad Absurdum und die Schiefe Bahn ('Dammbruch'-Argumente)

Unter reductio ad absurdum versteht man die Widerlegung eines Arguments, indem man es bis zu seinen letzten logischen Konsequenzen durchdenkt und es so auf eine absurde Schlussfolgerung reduziert. Selbstverständlich muss ein Argument falsch sein, wenn es zu absurden Konsequenzen führt. Das muss aber nicht der Fall sein, wenn es auch eine gute Übung im kritischen Denken ist, ein Argument bis in seine letzten Konsequenzen durchzudenken, ist das oft ein Weg dazu, zu erkennen, ob eine Behauptung gültig ist, besonders wenn eine experimentelle Möglichkeit besteht, diese Konsequenz zu prüfen. Auf eine ähnliche Weise führt der Fehlschluss des schlüpfrigen Abhangs dazu, ein Szenario zu erstellen, in welchem eine Sache letztendlich zu derartigen Konsequenzen führt, dass man den ersten Schritt niemals unternehmen sollte.

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23. Unzureichende Anstrengung und das Bedürfnis nach Sicherheit, Kontrolle und Einfachheit

Die meisten von uns möchten meist Sicherheit, unsere Umwelt unter Kontrolle und einfache, klare Erklärungen haben. Das mag alles eine evolutionäre Basis haben, aber in einer vielschichtigen Gemeinschaft mit komplexen Problemen können diese Eigenschaften die Wirklichkeit radikal übervereinfachen und mit kritischem Denken und Problemlösen im Widerspruch stehen. [...]

Naturwissenschaftliches und kritisches Denken ist nicht selbstverständlich. Dazu braucht es Training, Erfahrungen und Anstrengung. Alfred Mander hat das in seiner Logic for the Millions dargestellt: "Denken ist hochqualifizierte Arbeit. Es stimmt einfach nicht, dass wir von Natur aus mit der Eigenschaft zum klaren und logischen Denken ausgestattet sind, ohne es zu lernen oder es geübt zu haben. Menschen mit nicht geschultem Verstand sollten genauso wenig davon ausgehen, klar und logisch denken zu können, wie Menschen, die es nie gelernt oder geübt haben, davon ausgehen können, gute Schreiner, Golfspieler, Bridge-Spieler oder Pianisten zu sein." (1947, S. iii). Wir müssen ständig daran arbeiten, unser Bedürfnis, absolut sicher zu sein und alles unter Kontrolle zu haben, sowie unsere Tendenz, einfache und mühelose Lösungen für ein Problem zu suchen, zu unterdrücken. Ab und an können die Lösungen zwar einfach sein, aber üblicherweise sind sie es nicht.

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24. Unzureichende Problemlösungs-Strategien

Jegliches kritische und naturwissenschaftliche Denken ist, in gewisser Weise, Problemlösen. Es gibt eine ganze Reihe von psychologischen Barrieren, die unzureichende Strategien beim Problemlösen bedingen. Der Psychologe Barry Singer hat gezeigt, dass Versuchspersonen, die die korrekte Antwort auf ein Problem finden sollten, nachdem ihnen gezeigt wurde, dass bestimmte Vermutungen richtig oder falsch sind

A. unmittelbar eine Vermutung aufstellen und nur nach Beispielen suchen, welche diese bestätigen

B. nicht nach Beweisen suchen, die die Vermutung widerlegen

C. ihre Vermutung nur sehr zögernd aufgeben, selbst wenn sie offensichtlich falsch ist

D. bei sehr komplexen Informationen vereinfachte Hypothesen oder Strategien zur Lösung verwenden

E. falls es gar keine Lösung gibt, weil die Aufgabe ein 'Trick' ist und "richtig" und "falsch" zufälligerweise verteilt wird, Hypothesen über zufällige Zusammentreffen, die sie beobachtet haben, bilden. Sie finden immer Kausalitäten. (Singer und Abell 1981, S. 18).

Wenn das für Menschen im Allgemeinen gilt, dann müssen wir hart daran arbeiten, um diese Unzulänglichkeiten im Problemlösen in der Wissenschaft und im täglichen Leben zu überwinden.

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25. Immunisierung der Weltanschauung, oder das Planck-Problem

Im täglichen Leben wie in der Naturwissenschaft versuchen wir alle, grundlegende Paradigmen-Wechsel zu vermeiden. Der Sozialwissenschaftler Jay Stuart Snelson nennt diesen Widerstand ein ideologisches Immun-System: "gebildete, intelligente und erfolgreiche Erwachsene ändern kaum ihre grundlegenden Voraussetzungen." (1993, S. 54). Nach Snelson ist das Vertrauen in die jeweilige Ideologie um so größer, je mehr Wissen diese Menschen erworben haben und je fundierte ihre Überzeugungen wurden (und bedenken Sie dabei, dass wir alle bestrebt sind, Bestätigungen und nicht Widerlegungen zu finden und zu erinnern). Daraus folgt, dass wir eine "Immunität" gegenüber neuen Ideen entwickeln, die unsere bisherigen nicht bestätigen. Wissenschaftshistoriker bezeichnen das nach dem Physiker Max Planck als "Planck-Problem" der beobachtete, was passieren muss, damit sich in der Wissenschaft eine Neuheit durchsetzen kann: "Eine wichtige naturwissenschaftliche Neuerung läuft üblicherweise nicht in der Art ab, dass sie nach und nach über ihre Widersacher gewinnt und diese überzeugt: es geschieht selten, dass aus Saulus ein Paulus wird. Üblicherweise sterben die Widersacher nach und nach aus und die darauffolgende Generation wächst von Anfang an mit der neuen Idee auf." (1936, S. 97).

Der Psychologe David Perkins hat eine interssante Untersuchung gemacht in der er eine starke Korrelation zwischen Intelligenz (gemessen mit einem Standard-IQ-Test) und der Fähigkeit, einen Standpunkt einzunehmen und diesen zu verteidigen. Er fand auch eine starke negative Korrelation zwischen Intelligenz und der Fähigkeit, alternative Standpunkte zu erwägen. Das heißt, je höher der IQ, desto größer ist die Fähigkeit zur ideologischen Immunisierung. Diese Immunisierung ist in das 'Unternehmen Wissenschaft' fest eingebaut und wirkt dort als Filter gegen potenziell überwältigende Neuerungen. Als Wissenschaftshistoriker erklärte I. B. Cohen "Neue und revolutionäre Systeme wurden in den Naturwissenschaften eher bekämpft als mit offenen Armen empfangen; denn jeder Wissenschaftler hat ein festgelegtes intellektuelles, soziales und meist sogar finanzielles Interesse daran, den Status quo zu erhalten. Wenn jede revolutionäre neue Idee mit offenen Armen empfangen würde, hätte das das blanke Chaos zur Folge. (1985, S. 35).

Das bedeutet, dass die Geschichte die belohnt, die 'recht' haben (zumindest vorläufig). Es gibt aber durchaus Wandel. [...] Ideologische Immunisierung kann in der Wissenschaft und im täglichen Leben überwunden werden, aber das benötigt Zeit und muss unterstützt werden.

[ Original-Text ]