Kritik von Dr. Reinhard Junker

an

Kutschera vs. Scherer

Moderne Naturwissenschaften und Kreationismus treffen aufeinander

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Vorbemerkung
Einführung
Was ist eigentlich 'Evolution'?
Schöpfungsmythen sind nicht wissenschaftlich
Soll man das 'Evolutionsbuch' an öffentlichen Schulen einführen?

Kutschera vs. Scherer
Moderne Naturwissenschaften und Kreationismus treffen aufeinander

Vorbemerkung

Aufgrund weiterer Kritiken musste ich einige Passagen meines Artikels überarbeiten. Die Version, die Herr Junker kritisiert hat, entspricht daher nicht mehr der aktuellen Version. Ich habe deshalb den Text so, wie ich diesen von Herrn Junker erhalten habe, hier wiedergegeben. Im Gegensatz zu meinem Text fehlen hier auch die jeweiligen Links. Diese können Sie aber jederzeit in der aktuellen Version finden. Einige Einwände habe ich in der aktuellen Version berücksichtigt, die anderen werde ich irgendwann kommentieren.

[ Übersicht ]

 

Einführung

In factum 1/2003 erschienen auf S. 36ff Antworten auf 6 Fragen hinsichtlich des Status von Evolution. Auf der einen Seite vertrat Prof. Dr. Kutschera die Haltung der naturalistischen Evolutionswissenschaft. In direkter Gegenüberstellung standen die Antworten von Prof. Dr. Scherer, der auf der einen Seite Kreationist ist, in der Öffentlichkeit aber eher als ID-’Theoretiker’ auftritt.

Herr Scherer und Herr Kutschera haben mir freundlicherweise gestattet, den vollen Wortlaut des Interviews auf meine Site zu stellen. Ich danke auch Herrn Höneisen, dem Herausgeber von factum und Fragesteller des Interviews für seine Erlaubnis, die Texte auf meiner Site zu veröffentlichen. Ich habe mir aber erlaubt, auch mein Hintergrundwissen über andere Publikationen von Herrn Scherer in meine Überlegungen einfließen zu lassen. Über die Links, die ich bei den jeweiligen Zitaten gesetzt habe, können Sie leicht in die Interview-Texte gelangen und die zitierten Passagen im Kontext lesen.

Ich zitiere immer aus direkt aus dem factum-Heft, weil diese Texte öffentlich zugänglich sind. Die auf meiner Site abrufbaren Versionen stammen direkt von den Autoren.
Herr Kutschera ist Fachvertreter für Evolutionsbiologie an der Universität Kassel und einer der wenigen Naturwissenschaftler, die öffentlich gegen Kreationisten und Evolutionsgegner argumentieren. Die Beschäftigung mit Argumenten von Evolutionsgegnern macht deshalb auch fast 20 Prozent des Umfangs seines Lehrbuchs ‘Evolutionsbiologie’ aus.

Herr Scherer hingegen ist Vorsitzender der Studiengemeinschaft Wort und Wissen, der profiliertesten kreationistischen Organisation in Deutschland. Die Mitglieder von Wort und Wissen lehnen den Begriff ‘Kreationismus’ als Bezeichnung für deren Standpunkt aus nachvollziehbaren Gründen zwar ab, es lässt sich aber leicht anhand von Beiträgen deren Autoren zeigen, dass diese Organisation genuin kreationistische Auffassungen, wie ich sie an anderer Stelle definiert habe, vertreten.

Wir mögen den Begriff Kreationismus nicht, weil er mit Assoziationen besetzt ist, mit denen wir uns nicht identifizieren wie z. B. Unfähigkeit zum Dialog oder Wissenschaftsfeindlichkeit. Außerdem beinhaltet er theologisch gesehen eine Verengung unseres Anliegens. Es geht uns nicht nur um Schöpfung, sondern um die biblische Heilsgeschichte.

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Er hat zusammen mit Dr. Reinhard Junker ein kritisches ‘Evolutionsbuch’ herausgegeben und mit verfasst, in dem kreationistische Autoren im Rahmen der ID-’Theorie’ gegen Fakten-Aussagen der Evolutionswissenschaften argumentieren.

In factum erschien allerdings keine Diskussion zwischen diesen beiden Professoren, sondern deren Antworten auf jeweils 6 Fragen, die vom Herausgeber von dieser Zeitschrift, Herrn Höneisen, entsprechend den Auffassungen der beiden Interviewpartner etwas unterschiedlich formuliert wurden. In Frage 1 wurde Herr Kutschera gefragt, was er unter ‘Schöpfung’ versteht, Herr Scherer sollte sich zu ‘Evolution’ äußern. In Frage 2 ging es um die Einschätzung des ‘kritischen Evolutionsbuchs’, das soeben einen ‘Schulbuchpreis’ erhalten hatte. In Frage 3 sollten sich die Autoren darüber äußern, inwieweit Evolution eine nachweisbare Tatsache darstellt. In Frage 4 wurde gefragt, ob Kreationismus eine ‘Extremposition einiger Außenseiter’ darstellt, gegen die es sich zu kämpfen lohnt. Frage 5 behandelte das Thema, ob Glaube an Gott noch zeitgemäß sei und ob die Schulen zum Atheismus erzögen. Die Frage 6 handelte von Begriffen, auf die verzichtet werden könnte, ohne das jeweilige Weltbild zu tangieren (den genauen Wortlaut der Fragen finden Sie im den jeweiligen Interviews von Herrn Scherer und Herrn Kutschera).

Mein Artikel konzentriert sich auf das Interview mit Herrn Scherer. Auf die Beiträge von Herrn Kutschera gehe ich an dieser Stelle nicht näher ein, weil es mir vor allem darum geht, aufzuzeigen, dass eine Schöpfungslehre schon im Ansatz scheitern muss, weil sie nicht wissenschaftlich sein kann. Etwaige Differenzen im Detail, die zwischen mir und Herrn Kutschera bestehen, spielen in diesem Zusammenhang keine Rolle.

[ Übersicht ]


Was ist eigentlich ‘Evolution’?

Selbstverständlich war nicht zu erwarten, dass sich die beiden Positionen annähern würden. Das ist leicht verständlich, wenn man vergleicht, was die beiden Autoren unter ‘Evolution’ verstehen.

Herr Kutschera definiert ‘Evolution’ im in den Evolutionswissenschaften üblichen Art und Weise als:

das Andersartigwerden der Organismen im Verlauf unzähliger Generationsabfolgen (zu Frage 3, S. 36)

Das finde ich viel zu schwammig. Darunter können wir auch unsere Grundtypenbiologie unterbringen: das Andersartigwerden der Organismen auf der Basis polyvalenter geschaffener Stammformen.

Das ist in etwa das, was ich an anderer Stelle als ‘Evolution als historische Tatsache’ bezeichnet habe. In diesem Sinne ist ‘Evolution’ eine Tatsache, die so gut belegt ist wie die Existenz einer beliebigen historischen Persönlichkeit. Fossilien entsprechen in diesem Zusammenhang Urkunden, wie sie in den Geschichtswissenschaften verwendet werden.

Ganz anders sieht die Definition von Herrn Scherer aus:

Unter Evolution verstehe ich diejenige Ursprungslehre, welche die Entstehung der ersten Zelle (chemische Evolution) und deren Entwicklung hin zu allen heute existierenden Lebewesen (biologische Evolution) vollständig und ausdrücklich ohne Zuhilfenahme übernatürlicher Faktoren zu erklären versucht (zu Frage 1, S. 35)

Auch wenn der Begriff ‘Evolution’ in dieser Definition auftaucht, hat sie eigentlich mit Evolution in dem Sinn, wie Herr Kutschera (und mit ihm die Evolutionswissenschaft) ihn verwendet, nichts zu tun.

Die Entwicklung von der ersten Zelle bis zu allen heute existierenden Lebewesen hat "nichts" mit "Evolution" im Sinne des allgemeinen Gebrauchs unter Biologen zu tun? Das verstehe ich nicht.

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Streng genommen formuliert Herr Scherer hier eine Definition des Naturalismus, eben der weltanschaulichen Grundlage der modernen Naturwissenschaften: sie müssen zwingend nach dem Postulat ‘etsi deus non daretur’ (als ob es Gott nicht gäbe) vorgehen. Bedenken Sie bitte, dass das ist eine methodologische, keine ontologische Aussage ist: die Erklärungen müssen ohnen einen wie auch immer gearteten Gott auskommen. Die Frage hingegen, ob es einen Gott gibt oder nicht, wird bewusst ausgeklammert (detaillierter habe ich diese Überlegungen an anderer Stelle beschrieben). Es macht einfach keinen Sinn, irgendwelche übernatürlichen Faktoren einzuführen, die eigentlich nichts erklären.

Dieses methodische Postulat gilt nicht nur für die Evolutionswissenschaften, sondern für jede Wissenschaft, die im Rahmen der modernen Naturwissenschaften ernst genommen werden will. Hier, und nur hier, ist der Bereich, von dem Herr Scherer annimmt, dass eine Glaubensentscheidung erforderlich ist: entscheidet man sich, im Rahmen des Naturalismus zu verbleiben, oder ist man bereit, metaphysische Wesenheiten anzuerkennen. Man muss sich aber im Klaren darüber sein, dass man damit den Bereich der Naturwissenschaften verlässt und dann nicht mehr erwarten darf, dass derartige Argumente Ernst genommen werden.

Dass sich Kreationisten wie Herr Scherer explizit gegen die Evolutionswissenschaften richten,

Herr Scherer wendet sich nicht gegen die Evolutionswissenschaften, sondern gegen den Alleinerklärungsanspruch einer evolutionären Weltdeutung. Das ist ein ziemlich großer Unterschied.

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liegt einfach daran, dass in der Bibel über diesen Bereich explizite Aussagen stehen, die ihn dazu führen, bestimmte Dinge zu glauben, die mit den Ergebnissen dieser Disziplin nicht zu vereinbaren sind. In anderen Bereichen besteht diese Diskrepanz in analoger Weise. Sie wird aber nicht expressis verbis formuliert und wird daher nicht auf den ersten Blick deutlich.

Charakteristisch für die Argumentation von Kreationisten ist die Strategie, die Bereiche, an deren Ergebnissen nicht mehr gerüttelt werden kann, ohne jegliche Autorität in Fachkreisen zu verspielen (‘Mikroevolution’), anzuerkennen,

Das hat für mich überhaupt nichts mit "Strategie" zu tun, sondern allein damit, was unter Bezugnahme auf naturkundliche Daten plausibel begründbar ist und was nicht. Seine Autorität ist nebenbei sowieso weithin längst verspielt. Auch wer an Makroevolution rüttelt, ist out.

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gleichzeitig aber darauf zu bestehen, dass es andere Bereiche gibt, in denen allgemein anerkannte Befunde eben noch nicht vorliegen (‘Makroevolution’, eine detaillierte Analyse der Verwendung dieses Begriffs in der Evolutionsliteratur finden Sie an anderer Stelle). Das ist, streng genommen, nichts als das argumentum ad ignorantiam: solange ein Sachverhalt nicht letztendlich geklärt ist, soll es angeblich erlaubt sein, irgendwelche Alternativen Ernst zu nehmen.

Herr Scherer vertritt öffentlich eher die ID-’Theorie’. Das heißt, er versucht zu zeigen, dass die modernen Naturwissenschaften nicht in der Lage sind, bestimmte Sachverhalte zu erklären, was dann dazu berechtigen soll, einen Schöpfer zu postulieren. Wenn Sie Vertreter dieser Richtung nach einem Falsifikationskriterium (einer konkreten Beobachtung, die diese Auffassung widerlegt), also einer Grundvoraussetzung für jede Auffassung, die einen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erhebt, fragen, hören Sie üblicherweise: ‘Wenn die Evolutionstheorie bewiesen ist, ist mein Standpunkt widerlegt.’ Anders gewendet bedeutet das, dass diese Autoren kein prüfbares Argument für ihren Standpunkt haben, dessen Widerlegung einer Falsifikation entsprechen würde.

Das gilt für Schöpfungs"lehre" als Gesamtkonzept; aber meines Erachtens ebenso für die Evolutionslehre. Selbst das präkambrische Kaninchen würde eine evolutionäre Weltdeutung nicht falsifizieren, sondern nur erheblich modifizieren. Genausowenig würde eine chaotische Systematik die Evolutionslehre falsifizieren. In manchen Teilbereichen ist das ohnehin der Fall. Gibt es veröffentlichte Artikel mit dem sinngemäßen Thema: "Wie kann die Evolutionslehre falsifiziert werden?" Ich meine die Evolutionsanschauung als Gesamtkonzept, nicht bestimmte Vorstellungen vom Ablauf und den Mechanismen der Evolution. (Die Frage ist nicht rhetorisch gemeint; mich würden solche Beiträge ernsthaft interessieren.) In Teilbereichen sieht das anders aus. Das gilt aber auch für die Schöpfungslehre. So wurden für das Grundtypenmodell Falsifikationskriterien formuliert.

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Ein wenig verwundert in diesem Zusammenhang die Klage von Herrn Scherer

Ich habe den Eindruck, dass diese Weigerung zuweilen mit einer agnostischen oder atheistischen weltanschaulichen Bindung zusammenhängt. Nur so kann ich mir die teilweise bemerkenswerte Verweigerung des sachlichen Gesprächs erklären, die mir nicht selten begegnet. (zu Frage 2, S. 35f)

Was bedeutet in diesem Zusammenhang ‘Verweigerung des sachlichen Gesprächs’?

Es geht hier darum, dass oft der Dialog über Evolutionskritik innerhalb des herrschenden Paradigmas verweigert wird. Warum äußert sich fast niemand zu unserer evolutionskritischen Fachliteratur, obwohl sogar die "passenden" Leute persönlich angeschrieben werden? Warum kann man nicht einmal über Evolutionskritik diskutieren, nur weil der Gesprächspartner darüber hinaus auch an Schöpfung glaubt?

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Das, was Herr Scherer einführt (es gibt keine theoriefreie Beobachtung, in vielen Bereichen sind keine zwingenden Begründungen möglich etc.) ist doch wissenschaftstheoretisch längst geklärt: es gibt keine theoriefreie Beobachtung. Sehr schön hat dies einmal Einstein ausgedrückt. Er sagte sinngemäß: "Man weiß nicht, was man sieht, sondern man sieht, was man weiß." Ähnliche Formulierungen findet man bei vielen anderen berühmten Wissenschaftlern. Nur die Nachwehen der extrem empiristisch am Positivismus orientierten Wissenschaftstheorie, die vor allem auf Physiker zurückgeht, ist es zuzuschreiben, dass auch heute noch derart obsolete Ansprüche wie die unerfüllbare Forderung nach theoriefreier Beobachtung an ‘Wissenschaft’ gestellt werden. Die üblichen Einwände gegen (Makro)evolution findet man auch in der evolutionistischen Fachliteratur (wie jeder Blick in ein kreationistisches Buch zeigt). Die Weigerung, auf Argumente, die das eigenen Weltbild ohne Not in Frage stellen, einzugehen, ist nicht nur menschlich verständlich, sondern auch arbeitsökonomisch: es macht keinen Sinn, alles immer neu zu überdenken.

Die Wendung "ohne Not" ist der Knackpunkt. Was heißt "ohne Not"? Für mich gibt es erhebliche Nöte für die evolutionstheorie. Ich denke da – um in der Kürze wenigstens ein Beispiel zu nennen – z. B. an das im Lehrbuch unter "Design-Signale" (VII.17.5) Dargelegte.

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Solange an konkreten Fragestellungen gearbeitet wird, spielen derartige Überlegungen sowieso keine Rolle.

Für dieses Gespräch sollte Herr Scherer etwas mehr als Widerlegungen von irgendwelchen Theorien der Evolutionswissenschaften oder das Aufzeigen offener Probleme wie das der ‘Makroevolution’ im Sinne der Entstehung von Neuheiten bieten. Nebenbei sehen Sie hier sehr deutlich, dass die Evolutionsforschung das Kriterium der Falsifizierbarkeit erfüllt: wie wären Widerlegungen sonst möglich?

Um "Widerlegungen" geht es genausowenig wie um Beweise, sondern nur um Plausibilitäten und um einen Bezug zu den naturkundlichen Daten.

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Es ist für Evolutionswissenschaftler natürlich ‘lästig’, gezeigt zu bekommen, dass sich gewisse, möglicherweise aud lieb gewordene, Vorstellungen nicht halten lassen. Das ‘kritische Evolutionsbuch’, das Herr Scherer mit herausgegeben hat, ist voll von derartigen Beispielen, die im Einzelfall natürlich noch kritisch geprüft werden sollten. Klar ist aber auch, dass die Lösungen für diese offenen Fragen eben wieder nur naturalistische Theorien sein können.

Ist auch klar, dass es diese Lösungen überhaupt gibt?

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Die Arbeiten von Herrn Scherer und anderen Kreationisten sind daher für den Fortschritt der Wissenschaften wichtig, weil diese Kritik ‘von außen’ eventuell klar aufzeigt, wo Forschungsbedarf besteht.

Aber genau das, was man als Grundlage für ein ‘sachliches Gespräch’ dringend benötigen würde, fehlt in dem Buch vollkommen: eine konsistente, prüfbare Darstellung des kreationistischen oder meinethalben auch nur des ID-’theoretischen’ Standpunkts. Herr Scherer übersieht in diesem Zusammenhang meist, dass Argumente für den ID-’Standpunkt’ prinzipiell keinerlei Stütze für seinen Kreationismus sind. Die ID-’Theorie’ ist derartig diffus, dass sie mit jedem beliebigen Designer kompatibel ist. Ersetzen Sie einfach ‘Schöpfer’, ‘Designer’ oder ähnliche Begriffe in derartigen Texten mit ‘Team aus drei Konstrukteusen, einem humsigen Furml und einm babigen Schwalm’ und am Gehalt der Texte ändert sich nichts. Derartige Texte sind nur Ernst zu nehmen, wenn sie konkrete Antworten auf Fragen wie ‘Wann hat welcher Designer wie wo was geschaffen’ geben, die prüfbar sind. Dies ist natürlich zunächst nur ein schwerwiegender Einwand gegen die ID-’Theorie’ an sich, aber, darüber hinaus, indirekt gegen die Verwendung dieser Auffassung durch Kreationisten wie die Autoren der Studiengemeinschaft Wort und Wissen.

Herr Scherer geht als Kreationist von einer Schöpfungswoche, einer weltweiten Flut und von einer jungen Erde aus. Das sind selbstverständlich klar formulierte wissenschaftliche, prüfbare Aussagen. Diese Grundlagen seines Glaubens sind durch das Gesamt der Ergebnisse der Naturwissenschaften allerdings so gründlich falsifiziert wie das im Rahmen dieser Sichtweise nur irgendwie möglich ist. Hier nützt Herrn Scherer auch nichts, dass Daten interpretiert werden müssen. Seine Aufgabe bestände darin, erst einmal Daten zu präsentieren, die wenigstens im Sinne einer weltweiten Flut oder einer jungen Erde interpretiert werden könnten. Bevor Herr Scherer sich also irgendwelche Gedanken über ein ‘sachliches Gespräch’ macht, sollte er versuchen, auf gleicher Augenhöhe zu argumentieren, indem er eine prüfbare Alternative zum Naturalismus vorlegt.

Das Beste, was von den Mitarbeitern von Wort und Wissen diesbezüglich bisher geleistet wurde, ist die Grundtypen-Biologie, die ich an anderer Stelle kritisiert habe. Selbst wenn diese Auffassung korrekt wäre, böte sie keinerlei Stütze für den Kreationismus, denn sie folgt in keiner Weise zwingend aus diesem Ansatz.

Es handelt sich aber um eine mögliche Folgerung aus dem Ansatz. Mehr geht wahrscheinlich prinzipiell nicht. Das ist bei der Evolutionslehre nicht anders. Was folgt denn zwingend aus der Evolutionslehre? Früher hieß es zum Beispiel, ein für alle Lebewesen hundertprozentig identischer genetischer Code folge zwigend daraus. Nachdem dies als nicht zutreffend erkannt wurde, will niemand mehr etwas davon wissen.

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Deshalb hat sie keinerlei Beweiskraft, wenn es darum geht, Kreationismus oder auch nur ID-’Theorie’ zu stützen. Sie wäre zudem ganz einfach in den Rahmen der Naturwissenschaften integrierbar. Man hätte dann eben ein weiteres Taxon zwischen Art und Familie gefunden. Interessant ist für die Frage, ob es eine Schöpfung oder eine Evolution gab, nicht, zu zeigen, dass es wie auch immer definierte Grundtypen gibt, sondern zu beweisen, dass sie geschaffen sind.

Beweisen geht prinzipiell nicht, siehe oben. Warum hier diese harte Forderung? Es wird ja auch von den Evolutionstheoretikern nicht gefordert, dass sie die Existenz eines Stammbaums beweisen müssten.

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Der erste Schritt ist ohne den zweiten für die kreationistische Position schlicht und ergreifend nutzlos.

[ Übersicht ]


Schöpfungsmythen sind nicht wissenschaftlich

Herr Kutschera vertritt wie ich diese Position und schreibt:

Da Schöpfungsmythen auf übernatürlichen Glaubensinhalten basieren, die Naturwissenschaften jedoch nur real vorhandene Dinge erforschen können, ist der Begriff ‘Schöpfungstheorie’ widersprüchlich. Schöpfungsmythen sind Sache des nicht überprüfbaren, subjektiven Glaubens, Theorien die Resultate naturwissenschaftlicher Erkenntnisse, die auf objektiven Daten basieren. (zu Frage 1, S. 34)

Es würde hier zu weit führen, diese Aussage Herrn Kutscheras auf wissenschaftstheoretische Korrektheit hin zu prüfen, weil Herr Scherer inhaltlich übereinstimmt:

Eine Schöpfungstheorie im naturwissenschaftlichen Sinne gibt es nicht und kann es auch nicht geben. (zu Frage 4, S. 37)

Eine Schöpfungstheorie als gleichwertige Alternative zur naturalistischen Evolutionswissenschaft ist schlicht und ergreifend bisher nirgendwo erkennbar. Herr Scherer räumt in aller Deutlichkeit ein, dass seine Position nicht naturwissenschaftlich ist. Hier zeigt sich zudem deutlich, auf welcher Ebene die eigentliche Diskussion geführt werden muss. Es geht nicht um Evolution oder Schöpfung, sondern um Naturalismus oder Supranaturalismus. Und nur an dieser Stelle muss eine ‘Glaubensentscheidung’ erfolgen. Die wesentliche Frage an dieser Stelle ist allerdings die Begründung dieser Entscheidung. Es dürfte unstrittig sein, dass der Naturalismus der Naturwissenschaften das erfolgreichste Forschungsprogramm darstellt, das es gibt. Das sieht man leicht daran, dass deren Ergebnisse intersubjektiv gelten.

Da muss man doch sehr differenzieren, welche Ergebnisse intersubjektiv gelten. Wenn man wie Ernst Mayr die Evolutionskritiker als "niemand" bezeichnet, dann ist natürlich auch "Makroevolution = bewiesene Tatsache" intersubjektv gültig.

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Wer würde beispielsweise daran zweifeln, dass die Gesetze der Schwerkraft gelten? Naturwissenschaftler gleich welcher Religion können sich, sobald die erforderlichen Daten vorliegen, leicht einigen.

Weil die Datenlage extrem viel klarer ist. Hier gibt es sehr viel mehr und sehr viel konsistentere Daten als in der Frage der Entstehung und Geschichte der Lebewesen. Solche Vergleiche gehen m. E. an der Sache vorbei. Man kann hier jederzeit beliebig viele Versuche machen. Natürlich muss man deren Beobachtungen im Rahmen einer Theorie deuten, insofern ist ganz formal eine Ähnlichkeit mit historischen Theorien gegeben. Wir landen hier bei der Frage, was bei historischen Theorien anders ist als bei solchen, die regelhaft ablaufende Gegenwartsphänomene beschreiben bzw. erklären. Das muss an anderer Stelle diskutiert werden.

Erst wenn gezeigt werden kann, was gewonnen wird, wenn man zusätzlich zu den naturalistisch erforschbaren Wirkmechanismen noch irgendwelche metaphysischen Wesenheiten einführt, gibt es einen rationalen Grund, sich mit derartigen Auffassungen zu befassen. Die unabdingbare Grundlage dafür ist, dass Schöpfungsanhänger konkrete, prüfbare, Aussagen aufstellen, die darlegen, wann wo wie welcher Schöpfer was geschaffen hat. Erst wenn derartige ausformulierte Systeme vorliegen, kann eine sinnvolle Diskussion mit Naturalisten stattfinden.

Ich bin mal gespannt, bis wann sich mal ein Kritiker mit dem Kapitel 5 von "Ähnlichkeiten, Rudimente, Atavismen" abgibt. Dort gehe ich auf diese Problematik am Beispiel der Vergleichenden Biologie ein. Ich bilde mir nicht ein, dass es dazu keine Kritik gäbe, aber es ist mindestens eine ausführliche Diskussionsgrundlage, die vor allem auch darlegt, dass die Evolutionstheoretiker, was die konkrete Ableitbarkeit von zu erwartenden wissenschaftlichen Befunden betrifft, im selben Boot sitzen.

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Soll man das ‘Evolutionsbuch’ an öffentlichen Schulen einführen?

In diesem Zusammenhang ist auch die Frage zu stellen, ob man das ‘Evolutionsbuch’ an Schulen einführen sollte. Dieses Buch hat, obwohl es für den Unterricht an den meisten Schulen gar nicht zugelassen ist, den Schulbuchpreis 2002 des Vereins ‘Lernen für die deutsche und europäische Zukunft’ erhalten. Diese Auszeichnung erfolgte nach Herrn Scherer aus folgenden Gründen:

Die Würdigung bezog sich auf unseren Versuch, der einseitigen, weltanschaulich bedingten Festlegung der öffentlichen Diskussion über den Ursprung der Lebewesen mit Sachargumenten zu begegnen. Die Jury hat auch unsere Bemühungen gesehen, konträre Positionen zu respektieren und den Schüler zu einer kritischen, ausgewogenen und sachlichen Auseinandersetzung mit verschiedenen Standpunkten zu führen. (zu Frage 3, S. 37)

Herr Kutschera kritisiert treffend problematische Dastellungen in dem Buch wie folgt:

Im Buch von Junker und Scherer habe ich dann unter anderem die folgenden Fehlinformationen gefunden: Das dokumentierte Erdalter von etwa 4,6 Millionen [ sic! ] Jahren sei eine "verbreitete Annahme"; die Endosymbiontentheorie sei hochgradig unwahrscheinlich; fossile Übergangsformen seien nicht nachweisbar. Wenn derartige Behauptungen in einem Schulbuch stehen, kann der in Forschung und Lehre aktive Evolutionsbiologe nicht länger schweigen. Nach dem Motto "wehret den Anfängen" habe ich dann in Kapitel 11 meines Buches die Haupteinwände gegen die Evolutionstheorie und die entsprechenden Gegenargumente dargelegt. Würden Sie ein Mathematikbuch empfehlen, in dem steht, dass nach ‘verbreiteter Annahme’ 2 mal 2 gleich 4 ist? (zu Frage 4, S. 36)

Diesen Vergleich finde ich voll daneben. Dass 2 mal 2 gleich 4 ist, ist Definitionssache. Ist "Evolution = Tatsache" das auch? Mathematik ist eine Strukturwissenschaft. Was hat diese im Zusammenhang mit naturhistorischen Fragen zu suchen? Außerdem wird diese Zuspitzung dem Inhalt und Anspruch des Buches in keiner Weise gerecht. Überhaupt wird unser Lehrbuch oft an Ansprüchen gemessen, die es gar nicht hat.
Weiter zur Endosymbiontenhypothese (ESH): Im Lehrbuch stehen zahlreiche Argumente für die ESH; und dann kommen Gegenargumente, die wir für so gewichtig halten, dass die Formulierung "hochgradig unwahrscheinlich" gewählt wurde, die vielleicht in der Tat abgeschwächt werden sollte. Statt pauschal das Buch mit aus dem Zusammenhang gerissenen Satzfetzen anzugreifen, sollte Herr Kutschera zeigen, wie er oder andere die im Lehrbuch vermerkten Probleme der ESH löst.

Und was die Übergangsformen angeht findet sich im Buch eine differenzierte Betrachtung, der die Formulierung "fossile Übergangsformen seien nicht nachweisbar" bei weitem nicht gerecht wird. Auf S. 237 kann man im Abschnitt über die ersten Landpflanzen beispielsweise lesen: "Manche Arten können als Übergangsformen gedeutet werden" (ähnlich unter VI.13.8.5 auf Seite 238). Wir bestreiten in manchen Fällen die Deutungsmöglichkeit nicht, sondern nur die Deutungsnotwendigkeit. Wiederum könnten hier die Kritiker konkret auf das diesem Abschnitt zugrundelegende Buch "Evolution früher Landpflanzen" (www.wort-und-wissen.de/si/landpfla.html) eingehen.


Was von Kutscheras Behauptung, er hätte die Gegenargumente gegen die Evolutionslehre widerlegt, aus meiner Sicht zu halten ist, kann man beispielhaft in "W+W-Info" (www.wort-und-wissen.de/info/main.html; dort unter Info 3/01) nachlesen.

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An dieser Stelle erhebt sich die Frage, welche fachwissenschaftlichen Inhalte und Kontroversen man in Schulbüchern darstellen sollte. Im Rahmen der Evolutionswissenschaften sind zwingende Beweise wie im Rahmen der Mathematik in den meisten Fällen gar nicht nicht möglich, weil die betrachteten Systeme zu komplex sind. Dennoch gibt es so etwas wie eine ‘herrschende Meinung’, gegen die man sich nur stellen kann, wenn man sehr gute Argumente für seine Position hat.

Oder wenn man gute Argumente gegen die herrschende Position hat. Was aber sind gute Argumente? Und wer entscheidet das?

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Diese Argumente vermisse ich bei allen Evolutionsgegnern. Es macht auch aus didaktischen Gründen keinen Sinn, jeden Satz mit ‘nach verbreiteter Annahme’ zu beginnen. Natürlich ist Evolution ist nachgewiesenermaßen eine historische Tatsache.

Einspruch, es gibt dafür (für Makroevolution) keine zwingenden Indizien.

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Auch wenn die konkreten Mechanismen (noch?) nicht geklärt sind, besteht kein Anlass, an der Faktizität zu zweifeln.

Doch, weil es keine zwingenden Indizien gibt.

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Bevor Schöpfungsanhänger nicht prüfbar aufzeigen können, wann wo welcher Designer wie was geschaffen hat, haben sie kein Recht darauf, Ernst genommen zu werden. Es gibt im Bereich der Naturwissenschaften Bereiche, in denen zwar exakte Nachweise nicht möglich sind, deren Daten aber so gut gesichert wurden, dass eine Formulierung wie ‘ein Erdalter von 4,6 Millionen Jahren ist eine Annahme’ nichts zu suchen haben.

Es geht im Originaltext (S. 212) um den Unterschied zwischen 4,6 Milliarden Jahren (dort steht 109 Jahre, nicht Millionen) und der Zeit, wo erste Lebensspuren entdeckt wurden, und dass die Zeit für eine chemische Evolution sehr "kurz" war. Die "Annahme" bezieht sich auf die genaue Zahl 4,6, die wohl kaum als fix und unrevidierbar angesehen wird. Dennoch werden wir diese Formulierung in der nächsten Auflage ändern. Die Datierungsthematik wird im Lehrbuch nicht behandelt. Diese im Buch nebensächliche Sache so hoch zu spielen, zeigt, worauf es Kutschera ankommt: das Buch durch aus dem Zusammenhang gerissene Halbsätze pauschal zu diskreditieren.

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Beachten Sie bitte, dass es im Text korrekterweise 4,6 Milliarden Jahre, also das Tausendfache des angegebenen Wertes, heißen müsste. Hier sehen Sie schon leicht, wie unvereinbar die von Kreationisten vertretenen etwa 6 Tausend Jahre für das Alter der Erde mit den Ergebnissen der Fachwissenschaften ist. Schon die zu niedrige Angabe im Text, die das Alter der Erde auf ein Promille des derzeit gültigen Wertes drücken würde, entspricht erst 6 Promille dieses Wertes.

Herr Scherer schreibt:

Sie stellen richtig fest, dass unser Buch an staatlichen Schulen nur wenig vertreten ist. Ich kann die Weigerung der Schulen und Schulbehörden, die Schöpfungslehre in den Unterricht der öffentlichen Schulen einzuführen, gut verstehen. Offiziell kann nur gelehrt werden, was die grosse [‘factum’ erscheint in der Schweiz, in der Schweizer Version der Deutschen Sprache gibt es kein ‘ß’, T.W.] Mehrheit der Wissenschaftler für richtig hält - welchen anderen Massstab sollten die Schulbehörden denn sonst anlegen? (zu Frage 4, S. 37)

Das ist genau der Punkt. Solange es keine stichhaltigen Gründe gegen den Naturalismus gibt, werden ‘Alternativen’ schlicht und ergreifend nicht in Schulbüchern auftauchen. Jede Disziplin weist offene Fragen auf.

Und warum werden diese oft verschwiegen, z. T. geradezu das Gegenteil gesagt? Schwerwiegende Beispiele finden sich in einer Rezension der neuesten Auflage des "Biologie Linder" im "W+W-Info" (www.wort-und-wissen.de/info/rezens/b11.pdf; oder in www.wort-und-wissen.de/info bei "Info 48, Sept. 1999" den betreffenden Beitrag anklicken – geht schneller).

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Mit der gleichen Berechtigung, mit der man einen Designer in der Biologie lehren sollte, könnte man diesen auch in jeder anderen Disziplin dazu missbrauchen, Unwissen zu verschleiern.

Wieso "verschleiern"?

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Herr Scherer hat natürlich in gewissem Sinne Recht. Wenn man die Darstellung von konkreten Sachverhalten in der evolutionswissenschaftlichen Primärliteratur mit der Darstellung in Schulbüchern vergleicht, findet man selbstverständlich Diskrepanzen. Kreationisten und Evolutionsgegnern geht es aber nicht um diese innerwissenschaftlichen Konflikte, sie wollen diese nur dazu umfunktionieren, den naturalistischen Ansatz der Naturwissenschaften zu diskreditieren.

Das sehe ich als unzutreffende Unterstellung an. Wir diskreditieren diesen Ansatz nicht, sondern benennen seine Grenzen.

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Das ist aber eine vollkommen andere Ebene. Man kann sich darüber unterhalten, ob es angebracht ist, Sachverhalte, die in der Primärliteratur umstritten sind, aus didaktischen Gründen in Schulbüchern als geklärt darzustellen. Ein vollkommen anderer Bereich ist es aber, ob man diese Differenzen als Berechtigung für supranaturalistische Auffassungen verwenden kann. Nochmals in aller Deutlichkeit: bevor Supranaturalisten nicht in Form prüfbarer Aussagen angeben können, wann wo welcher Schöpfer wie was geschaffen hat, haben sie keine Berechtigung, Ernst genommen zu werden, nur weil Detailfragen im Bereich der Wissenschaften noch nicht geklärt sind.

Das ist noch einmal eine interessante Formulierung. "Detailfragen" sind ungeklärt. Nach Auffassung der Kritiker sind aber die entscheidenden und grundlegenden Fragen ungeklärt. Wenn also die Kritiker nicht erwarten dürfen, ernst genommen zu werden, weil sie supranaturalistisch denken und argumentieren, dürfen sie wenigstens erwarten, dass man sich mit ihrer innerhalb des herrschenden Systems vorgetragenen Kritik beschäftigt? Vergleiche das oben bereits Gesagte!

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Ein Problem liegt aber noch auf einer anderen Ebene. Die ‘sachliche Kritik’ an Aussagen der Evolutionswissenchaften, die Herr Scherer einfordert, erfolgt ja auch von Seiten der Naturwissenschaft. Ein Blick in kreationistische Bücher, vor allem deren Literaturverzeichnisse, zeigt, dass die Ergebnisse, mit denen sie bestimmte Aussagen der Evolutionswissenschaften kritisieren, von naturalistischen Evolutionswissenschaftlern stammen. Auch die Schwindel (beispielsweise der sogenannte Piltdown-Mensch) wurden von Evolutionisten aufgedeckt. Für diese Art Kritik braucht man keine Schöpfungswissenschaftler. Das ganze Vorhaben, wie es im ‘Evolutionsbuch’ vertreten wird, erhält dadurch ein ‘Gschmäckle’: auf diese Weise soll versucht werden, obsolete und längst widerlegte Vorstellungen (eben die wortwörtliche Interpretation der Bibel, incl. Schöpfungswoche, weltweiter Sintflut oder junger Erde) sozusagen unter dem Mäntelchen des ‘Intelligent Design’ wieder salonfähig zu machen. Durch persönliche Kontakte zu Mitarbeitern der Studiengemeinschaft Wort und Wissen, die ich als ehrliche Menschen einschätze, gehe ich davon aus, dass der obige Vorwurf zumindest auf diese nicht zutrifft. Ob das aber auch für die Menschen, die das Buch propagieren, zutrifft, kann ich nicht einschätzen. In den USA wird diese Strategie aber nachweislich verfolgt. Das liegt vor allem an der dort wesentlich stringenteren Trennung von Staat und Kirche, vor allem, was den Religionsunterricht in öffentlichen Schulen anbelangt. Es ist dort nicht gestattet, Glaubensinhalte im Unterricht zu behandeln. Kreationisten sind dort darauf angewiesen, ihre Auffassungen als Wissenschaft zu präsentieren.

Auffassungen wie den folgenden kann

Ich persönlich hätte zwar gerne eine christliche Prägung unserer Schulen. Allerdings leben wir auch in Mitteleuropa in einer nachchristlichen Ära. Mit welchem Recht und mit welchen Mitteln soll die kleine, christlich aktive Minderheit unseres Landes für alle Bürger verbindlich eine christlich orientierte Erziehung durchsetzen? Was aber eingefordert werden muss, ist die weltanschauliche Neutralität des Biologieunterrichtes an unseren staatlichen Schulen - und davon sind wir meines Erachtens inzwischen weit entfernt. (zu Frage 5, S. 37)

ich auf keinen Fall zustimmen. Herr Scherer hat an anderer Stelle des Interviews schon eingeräumt, dass nur "eine sehr kleine Minderheit unter den Biologen" seine Auffassung öffentlich vertritt. Dann ist natürlich konsequent, dass er sich fragt, mit welchem Recht er seine Auffassungen hinsichtlich (Makro)Evolution an öffentlichen Schulen vertreten wissen möchte.

Er würde gerne eine ausgewogene Darstellung der Evolutionslehre im Biologieunterricht verbindlich machen. Er bezweifelt aber das Recht, eine "christlich orientierte Erziehung" verbindlich zu machen. Siehe Interview. Er will eine weltanschauliche Neutralität im Biologieunterricht. Er sagt im Interview nicht, er wolle eine Design-Theorie unterrichten.

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Hier sei zudem noch kritisch angemerkt, dass ‘christlich’ im Sinne Herrn Scherers mit dem, was unter ‘christlich’ im Sinne der Großkirchen verstanden wird, wenig gemein hat, vor allem, wenn man Evolution betrachtet, wenig zu tun hat. Welche konkreten Inhalte vertritt Herr Scherer zudem hinsichtlich (Makro)Evolution eigentlich, die über das ‘argumentum ad ignorantiam’ hinausgehen?

Was ist denn Naturalismus, richtig verstanden als Heuristik und nicht als Nicht-Existenzaussage bezüglich eines Schöpfers, anderes als ‘weltanschauliche Neutralität’?

Als Heuristik ist dies nichts anderes, stimmt. Mehr steckt hinter der Forderung von Herrn Scherer nach weltanschaulicher Neutralität vermutlich auch nicht dahinter und mehr kann man auch aus dem Interview nicht herauslesen.

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Gerade im Rahmen des Naturalismus gewonnene Erkenntnisse sind doch für Menschen jeder Religion und Weltanschauung gültig, weil sie eben nicht davon abhängen, an welchen Gott in welcher Form man denn zufälligerweise glaubt.

Ich stimme zu, wenn Naturalismus als Heuristik gemeint ist, und wenn man die Grenzen benennt, an die man damit stößt, und nicht so tut, als gäbe es da keine.

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Herr Scherer vertritt einen Glauben, der selbst unter Christen eine extreme Außenseiter-Position einnimmt. Die beiden Großkirchen haben längst ihren Frieden mit der Evolution (zumindest des Körpers des Menschen) gemacht.

Und damit das Evangelium verraten, aber das ist eine andere Geschichte.

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In den Vereinigten Staaten wird derzeit massiv versucht, unter dem Deckmantel der ID-’Theorie’ kreationistisches Gedankengut an öffentlichen Schulen zu verbreiten. Das kann doch wohl nicht im Ernst als weltanschauliche Neutralität eingefordert werden.

Siehe oben. Diese letzten Zeilen haben mit dem Interview von Herrn Scherer nicht mehr viel zu tun.

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Sonst könnte jede noch so unbedeutende religiöse Splittergruppe einfordern, dass das, was nicht in deren Weltbild passt, im Unterricht nicht behandelt werden darf. Dem ‘Evolutionsbuch’ von Herrn Scherer kann man diesen Vorwurf zwar nicht direkt machen, es wird aber von evangelikalen Kreisen, die durchaus in diese Richtung denken, als Quelle für die eigene, eher an den amerikanischen Kreationisten orientierte Auffassung, verwendet.

Es geht nicht darum, dass etwas nicht behandelt werden soll, was nicht in Weltbild passt. Das steht auch nicht im Interview. Zudem weiß ich definitiv, dass Herr Scherer es für richtig ansieht, die Makroevolutionslehre im Schulunterricht gebührend zu behandeln, allerdings natürlich nicht als feststehende Tatsache.

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Es zeigt sich aber, dass der gesamte Ansatz der Schöpfungs’wissenschaft’ nicht den Anforderungen entspricht, die man an ein Weltbild stellen muss, das den Anspruch erhebt, eine Alternative zum Naturalismus bieten zu können. Es mag sein, dass bestimmte Inhalte einer bestimmten Auffassung von Christentum Probleme damit haben, dass die Ergebnisse der modernen Wissenschaften diese widerlegen. Daraus aber den Anspruch abzuleiten, dass ausgerechnet öffentliche Schulen sich danach richten sollten, ist schon sehr weit hergeholt.

Dies halte ich für eine Unterstellung. Im Interview steht das nicht, auch nicht so ähnlich oder irgendwie implizit. Oder habe ich da was überlesen?

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Reinhard Junker

 


 

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E-Mail an Thomas Waschke an Thomas Waschke (Beitrag)
Erstellt: 16.Januar 2003
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