Ein paar Gedanken zu Begriffen

Bei Diskussionen, die sich um Weltanschauungen drehen, ist es noch wichtiger als üblich, dass man sich darauf einigt, was man unter einem bestimmten Begriff verstehen möchte. Sonst kann es leicht passieren, dass man sich für Inhalte 'verteidigen' muss, die man mit einem bestimmten Begriff gar nicht verbindet.

Zu den meisten problematischen Begriffen, die im Text angeführt werden, habe ich an anderer Stelle ausführlichere Texte verfasst. Sie können diese Texte durch Klick auf die entsprechenden Links einfach erreichen.

Wenn man den Begriff Evolutionstheorie verwendet, läuft man schnell Gefahr, dass man Probleme mit einem bestimmten Typ von Wissenschaftstheorie bekommt. Theorie ist ein terminus technicus für ein Gedankengebäude, aus dem man prüfbare Vorhersagen ableiten kann. Das heisst, es müssen Beobachtungen möglich sein, welche die Theorie widerlegen. In diesem Sinn gibt es eigentlich gar keine Evolutionstheorie, zumindest nicht in dem Sinn, in dem man das Wort 'Theorie' üblicherweise verwendet. Zu diesem Gesichtspunkt finden Sie ausführlichere Informationen an anderer Stelle.

Evolution in dem Sinn, dass man damit ausdrücken möchte, dass man davon ausgeht, dass es eine Entwicklung der Lebewesen ohne Einfluss von irgendwelchen Schöpfern gab, ist, wissenschaftstheoretisch gesehen, keine Theorie, sondern ein Paradima, also so etwas wie ein Weltbild. Als solches ist es ein Deutungsschema für Fakten und kann durch selbige nicht widerlegt werden, da es begründet, was ein Fakt ist. Im Rahmen dieses Paradigmas gibt es dann allerdings wieder Theorien, die durchaus testbar sind und je nach Ausgang von Beobachtungen nicht mehr haltbar sind.

Beachten Sie bitte, dass das naturalistische Weltbild eine (wohlbegründete!) Entscheidung ist. Sie ist daher keine Aussage über die Struktur der Welt. Alternative Entscheidungen sind nicht deshalb falsch, weil sie nicht auf der Basis des Naturalismus stehen. Anhänger nicht-naturalistischer Positionen sollten aber deutlich machen, warum sie davon ausgehen, dass ihre Entscheidung besser begründet ist als die des Naturalismus. In meinem Evolutions-'Glaubensbekenntis' habe ich diesen Gedanken ausführlicher dargestellt.

Auch der Begriff Evolution ist durchaus vielschichtig. Auch auf diesem Punkt bin ich an anderer Stelle sehr ausführlich eingegangen. Hier sei angemerkt, dass es bis heute nicht gelungen ist, plausible Mechanismen für viele Phänomene der Evolutionsforschung zu finden. Man hat zwar einige Beispiele dafür gefunden, dass eine neue Art entstehen kann, aber wie 'wirklich Neues', beispielsweise neue Baupläne, entstanden sind, ist, gelinde gesagt, umstritten. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass der Fossilbefund eine Evolution zwingend belegt. Eine Widerlegung von Mechanismen ist daher 'nur' eine Widerlegung von Mechanismen, das Evolutionsparadigma oder gar der Naturalismus als solches wird davon nicht berührt.

Auch der Begriff Schöpfung weist einen gewaltigen Bedeutungsumfang auf. Bei der Diskussion mit Kreationisten sollte man diese grundsätzlich dazu auffordern, so genau wie möglich darzustellen, wie sie sich die Schöpfung vorstellen. Und zwar möglichst in der üblichen Form: wer, wann, wo, wie, was? Die Evolutionsforschung hat ein gewaltiges Tatsachenmaterial zusammengetragen und daraus Theorien abgeleitet, die für jedes in der Diskussion stehnde Phänomen Antworten im obigen Sinn versuchen. Kreationisten sollten mindestens mit derselben Klarheit das Faktenmaterial zu deuten versuchen. Leerformeln wie 'Evolution ist Gottes Art der Schöpfung' halte ich für wenig überzeugend.

Sie werden dann auch schnell feststellen, dass der Begriff Kreationist wenig aussagt. Meine Site wendet sich vor allem gegen Kurzzeit-Kreationisten biblischer Prägung. Und zwar deshalb, weil diese Richtung konkrete Aussagen macht (wie 'die Erde ist jung', 'es gab eine weltweite Flut in historischer Zeit', 'alle Lebewesen wurden in der Schöpfungswoche erschaffen'), die durch das Faktenmaterial widerlegt werden können. Es gibt neben diesen Kreationisten noch eine ganze Reihe weiterer Auffassungen, die von einer Schöpfung ausgehen, teilweise sogar auf dem Boden des Christentums stehen, die aber wesentlich weniger konkrete Aussagen machen. Eine Diskussion mit Vertretern dieser Richtungen ist zwar sehr interessant, es ist aber nicht möglich, zwischen den Standpunkten rational zu entscheiden. Es gibt keinen möglichen Befund, der zwischen Naturalismus und Schöpfungsglaube entscheiden könnte. Das habe ich an anderer Stelle ausführlicher dargestellt. Dort finden Sie auch eine 'Kategorisierung' von Kreationisten. Auch unter Evolutionsforschern gibt es überzeugte Christen, die sich selbst teilweise expressis verbis als 'Kreationisten' in dem Sinn bezeichnen, dass sie an einen Schöpfer des Universums glauben. Sie gehen aber davon aus, dass er nicht (direkt) in den Lauf der Evolution eingreift.


E-Mail an Thomas Waschke an Thomas Waschke Stand: 28. Juli 2000