Kann man mit Kreationisten eigentlich sinnvoll diskutieren?

Diese Frage ist selbstverständlich nicht einfach mit 'ja' oder 'nein' zu beantworten. Die folgenden Überlegungen erfolgen von der Position eines naturalistischen Ansatzes aus. Ich möchte hier aufzeigen, dass nicht erwartet werden kann, dass eine fruchtbare Diskussion mit jedem Typ Kreationist möglich ist. Unter einer 'sinnvollen Diskussion' verstehe ich eine Auseinandersetzung, die nach gewissen Regeln verläuft und in deren Verlauf sich beide Seiten darauf einigen können, ob eine These vertretbar ist oder nicht. An anderer Stelle wurde bereits dargestellt, dass der Begriff 'Kreationismus' schillernd ist. Für die folgenden Überlegungen möchte ich lediglich idealtypisch 3 Gruppen von Kreationisten unterscheiden.

1. HighEnd-Kreationisten

Diese Menschen gehen davon aus, dass es irgendeinen Schöpfer gibt. Dieser Schöpfer braucht aber nicht der Gott der Bibel oder gar eine Person zu sein.

2. Tiefgläubige Menschen

Diese Menschen sind aufgrund ihres Glaubens davon überzeugt, dass es einen Schöpfer gibt und haben ihn in einer bestimmten Religion gefunden.

3. Kreationisten vom ICR-Typ

Diese Menschen sind zwar meist auch tiefgläubig, aber sie gehen zusätzlich davon aus, dass sie ihren Glauben mit naturwissenschaftlichen Methoden beweisen können. ICR bezieht sich auf as 'Institute for Creation Research', dessen Mitarbeiter massgeblich zur Entwicklung dessen beigetragen haben, das als 'scientific creationism' bezeichnet wird.

Zu 1.

Mit HighEnd-Kreationisten ist eine echte Diskussion nicht möglich. In den meisten Fällen werden diese keine Aussagen formulieren, die in irgendeiner Art und Weise prüfbar wären. Wie sollte man beispielsweise eine Aussage wie 'Evolution ist Gottes Methode der Schöpfung' interpretieren? Wo genau griff welcher Schöpfer wie in die Evolution ein? Greift er überhaupt ein? Unterscheidet sich eigentlich eine Welt, die einmal geschaffen wurde und sich dann nach im Rahmen der Naturgesetze entwickelt von einer, die 'einfach da' war?

In vielen Fällen wird man den Verdacht nicht los, dass Vertreter dieser Position 'Unwissen' durch 'Schöpfer' ersetzen. Solange die Entstehung einer komplexen Einrichtung in der Natur nicht naturalistisch vorstellbar ist, nimmt man an, dass diese Struktur geschaffen wurde. Sollte irgendwann gezeigt werden, dass die Selbstorganisation von Materie durchaus in der Lage ist, derartiges zu 'schaffen', dann wird eben die nächste Wissenslücke gesucht. Streng genommen ist dies ein Lückenbüßer-Gott, der irgendwann an Wohnungsnot zugrunde geht.

Streng genommen besteht eine Patt-Situation: die naturalistische Forschung kann nicht zeigen, dass es keinen Schöpfer geben kann, genauso wenig, wie die Gegenposition beweisbar ist. Selbst wenn beispielsweise durch Laborexperimente die Entstehung von Leben auf der Urerde zweifelsfrei nachvollzogen werden könnte, wäre damit noch längst nicht bewiesen, dass damals kein Schöpfer auf irgendwelche Art und Weise beteiligt war. Umgekehrt kann man auch aus unserer Unfähigkeit, komplexe Vorgänge in der Natur zu begreifen, folgern, dass diese übernatürliche Ursachen haben müssten.

Ziel der Diskussion kann es daher nur sein, zu zeigen, dass die Annahme eines Schöpfers schlicht und ergreifend nichts erklärt. Ob, und wenn ja, welcher Schöpfer wie in den Lauf der Dinge eingreift, zu zeigen ist die Aufgabe derer, die ein derartiges Wesen postulieren.

Zu 2.

Diese Position unterscheidet sich vom HighEnd-Kreationismus vor allem dadurch, dass von einer konkreten Offenbarung ausgegangen wird. Diese Menschen vertrauen auf ihren Gott und gehen davon aus, dass dieser die Welt geschaffen hat. Probleme tauchen dann auf, wenn sich geoffenbarte Phänomene mit den Erkenntnissen der Naturwissenschaften nicht in Einklang bringen lassen. Verbreitet ist dann die Haltung: 'Hier stehe ich und kann nicht anders!'

Diese Menschen stehen in einem Zwiespalt: auf der einen Seite haben Sie möglicherweise 'Gotteserfahrungen' gemacht, ihr Glaube trägt und hält sie, auf der anderen Seite sehen sie aber auch, dass beispielsweise eine junge Erde mit den Erkenntnissen der Naturwissenschaften nicht vereinbar ist.

Auch mit diesen Menschen ist eine sinnvolle Diskussion kaum möglich. Man kann zwar versuchen, zu klären, ob man die Widersprüche irgendwie auflösen kann (beispielsweise, indem man die Sintflut als lokales Ereignis auffasst), im günstigsten Fall gelangt man zu einem Patt wie bei den HighEnd-Kreationisten: über das konkrete Handeln dieses Gottes lassen sich keine allgemein gültigen Aussagen machen.

zu 3.

Diese Position wird nicht nur von Christen vertreten, man findet beispielsweise auch bei Muslimen ähnliche Auffassungen.

Mit diesen Menschen ist ein sinnvolle Diskussion möglich. Sie bezeichnen sich als 'wissenschaftlich' und erkennen damit einen Methoden-Kanon an. Daher kann man diese Position auf falsifizierbare Positionen hin untersuchen und versuchen, diese zu beurteilen.

Wie das konkret aussehen kann, habe ich in einer anderen Diskussionshilfe ausführlich dargestellt.


E-Mail an Thomas Waschke an Thomas Waschke
(Übertragung)
Stand: 30. Oktober 2000