Betreff: Sperrung meiner MPIZ-Homepage

Erwiderung von Wolf-Ekkehard Lönnig vom 20.03.2003

Lieber Herr Jacobsen:

Besten Dank für Ihre Mail.

Wie Sie wissen, betreibt Herr Kutschera seit über einem Jahr eine Kampagne
mit dem Ziel der Schließung meiner Instituts-Homepage.

Er spricht bei seinen Bemühungen sowohl in der Mehrzahlform ("Wir werden daher leider unsere Aktivitäten gegen die Kreationisten W. Gitt, S. Scherer, R. Junker, Ihren Mitarbeiter Loennig etc. fortführen müssen") als auch im Singular (auch wieder an Herrn Saedler: "Es tut mir leid, dass ich Ihnen diese Schwierigkeiten bereiten werde"). Wenn ich nicht annehmen soll, dass Herr Hölldobler völlig unabhängig von den öffentlichen (und weiteren) Verbotsversuchen Kutscheras auf meine Homepage gestoßen ist (bzw. unabhängig von den generellen öffentlichen Angriffen Kutscheras auf mich), dann hat Kutscheras Kampagne u.a. dazu geführt, dass Herr Hölldobler zur Begründung seines Umbennungsantrags bei der Leopoldina unter anderem folgende Behauptungen aufgestellt hat:
Die Pseudowissenschaft "Creationismus", die in einigen Bundesstaaten der USA eine beachtliche Anhängerschaft hat, breitet sich in jüngerer Zeit auch in Deutschland aus. Bisweilen tritt sie unter der Tarnkappe "Intelligent Design" in Erscheinung und wird als solche sogar auf einer offiziellen Web-Page des Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung, Köln, propagiert. Um gegen diesen Unsinn auch ein äußeres Zeichen zu setzen, beantragen wir wenigstens für eine Sektion der Leopoldina den Begriff "Evolutionäre Biologie" aufzunehmen.

Überdies hatte Herr Kutschera den Text Hölldoblers als Einziger auf seiner Webseite wiedergegeben: http://www.uni-kassel.de/~kut/orgbio.htm (Herr M. Rammerstorfer machte mich darauf aufmerksam).

Darauf hat Herr Dr. W. J. Gieffers von unserem Institut folgenden Kommentar geschrieben, den ich auf meiner Webseite wiedergegeben hatte:

Werner J. Gieffers* (2003): Gedanken zur Begründung der Namenserweiterung der Sektion 8 in der Leopoldina durch Bert Hölldobler**
Wenn die Leopoldina die Benennung ihrer Sektion 8 erweitert, ist man geneigt anzunehmen, dass es sich eher um einen Geschäftsvorgang handelt, der eine nähere Kommentierung erübrigt. Doch eine Analyse des kurzen Berichts von Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Bert Hölldobler zu dieser Umbenennung führt zu grundsätzlichen Fragen und Anmerkungen zum Wissenschaftsverständnis, zur Freiheit der Forschung und zur Toleranz. Dabei ist nicht die Ausrichtung dieser Sektion auf die Evolutionslehre kommentierungswürdig, sondern deren Begründung.


Das Zitat von Dobzhansky "Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution" hat durch den Gebrauch religiöser Symbole keine naturwissenschaftliche Ðberzeugungskraft, so dass der Bezug darauf wie ein afterreligöses Bekenntnis anmutet, dass die Dominanz des Lehrsatzes einer
Fachautorität bedingungslos akzeptiert. Eine Theorie - unter Beibehaltung der Terminologie -, die suggeriert, dass die Vernichtung des Schwächeren das Leben begründen würde, wäre dann schon zutreffender mit dem Bild der Finsternis umschrieben worden.

Im Folgesatz ist der Schwenk zum Wissen um die Tatsache der Evolution reine Grammatik. Nicht die biologischen Fakten, auf die sich diese Lehre bezieht, begründen eine Evolution, sondern nur deren Deutung nach einem vorgefassten Weltbild. Evolution existiert als Deutungsversuch, aber nicht als biologische Tatsache.

Den Vorwurf der Pseudowissenschaft muss sich wohl jede Wissenschaftsrichtung gefallen lassen, die lediglich die eigene Deutung eines Phänomens zur unumstößlichen Tatsache deklariert. In dieser dogmatischen Anmaßung fallen unverkennbar Parallelen zwischen Evolutionslehre und Kreationismus auf. Bekannterweise schwindet die Bereitschaft zur Toleranz um so mehr, desto
heftiger Unbewiesenes oder eigene Interessen zur Tatsache erklärt werden. Auch die Erkenntnisfähigkeit schwindet. Dass "Intelligent Design" keine Tarnkappe des Kreationismus ist, sondern einen ganz anderen Deutungsversuch biologischer Fakten verfolgt, ist dem Autor offensichtlich entgangen. Da es aber nach dem evolutionistischen Selbstverständnis mancher Evolutionisten keine anderen Erklärungen zum Phänomen Leben geben kann und darf, werden die
Auffassungen Andersdenkender von Herrn Hölldobler als "Unsinn" gebrandmarkt. Es gibt eine wissenschaftliche Redlichkeit, die weder Diffamierung noch Diskreditierung zulässt, sondern allein das schlagende Sachargument gelten lässt, was aber in den Ausführungen von Herrn Hölldobler nicht erkennbar ist.

Der Autor geht sogar soweit, zu behaupten, dass das Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung Köln diesen "Unsinn" auf einer offiziellen Webseite propagiert. Die gemeinte Webseite stellt aber, für jeden User erkennbar, keine offizielle Meinung des Instituts dar (das allgemein nach der
Evolutionstheorie forscht und arbeitet), sondern lediglich die eines Mitarbeiters, der an diesem Institut noch frei seine Meinung äußern kann.

Solange zum Phänomen Leben noch nicht das letzte Wort gesprochen ist, wird mit theoretisch sich widerstreitenden Deutungsversuchen zu rechnen sein. Denk- und Meinungsverbote, Autoritätenhuldigungen, Meinungsmehrheiten sowie dogmatische und ideologische Zwänge sind ungeeignet, Leben in all seinen Erscheinungen zu erkennen. Der Erkenntnisweg dorthin wird nur mit Respekt und Toleranz und in Zusammenarbeit möglich sein.

Dr. Werner Josef Gieffers*
Köln, 11. März 2003

Ich selbst hatte zum Text von Herrn Hölldobler bisher nur vier (wenn auch längere Fußnoten) verfasst.

Die Aktivitäten zur Schließung meiner Institutshomepage gehen nach meinem bisherigen Verständnis also ursprünglich und wesentlich von Herrn Kutschera aus. Diese sich über ein Jahr lang erstreckenden Aktivitäten (im Singular und in der Pluralform) führten dann zu weiteren Aktivitäten (vielleicht gemeinsam mit Herrn Hölldobler(?) oder aber als Anstoß für diesen) sowie zu weiteren Homepage-Sperrversuchen.

Nach meinem bisherigen Verständnis ist Herr Kutschera als Initiator der Kampagne daher direkt oder indirekt für die Sperrung verantwortlich.

Aber selbst wenn Herr Hölldobler völlig unabhängig von Herrn Kutschera - sowie Kutscheras weit bekannten öffentlichen Angriffen - auf meine Hompage gestoßen wäre (was mir angesichts der Tatsache, dass Herr Kutschera als einziger den Text Hölldoblers auf seiner Homepage wiedergegeben hat, zur Zeit unwahrscheinlich erscheint) und dann auf die Idee gekommen ist, sich an das MPG-Präsidium zu wenden, so hat doch im Vorfeld die über einjährige Kampagne Kutscheras am hiesigen Institut eine starke Nervosität und Unruhe ausgelöst, so dass Hölldoblers Vorstoß auf einen gleichsam "wohl vorbereiteten Boden" gestoßen ist. Die Reaktion von Seiten des Instituts wäre also ohne die "Vorarbeit" Kutscheras in diesen Fragen ruhiger ausgefallen.

Nach den massiven, wiederholten Verbotsversuchen und inbesondere den deutlichen und nachdrücklichen Ankündigungen zu weiteren Sperrversuchen (siehe Details in der Mail), bin ich gezwungen auch annehmen, dass Kutschera weitere mir bisher unbekannte Versuche zur derzeitigen Sperrung meiner Institutshomepage unternommen und/oder Gesinnungsfreunde dazu motiviert hat
(was weitere "Anfragen" erklären würde).

Es scheint es mir daher nicht unberechtigt zu sein, wenn ich nach der derzeitigen Sperrung meiner Instituts-Homepage in meiner Mail einleitend geschrieben habe:

"Vorbemerkung: Seit 19. März 2003, gegen 14.30, sind alle Links auf meine
Library Site zur Zeit gesperrt. Die an diesen Beiträgen interessierten Leser
des vdbiol bitte ich, sich an Herrn Kutschera als dem für diese Sperrung
Verantwortlichen zu wenden (zu seinen Methoden, die Sperrung zu erreichen,
siehe die Details unten). Der folgende Beitrag wurde vor diesem Datum
verfasst.

Ich möchte jedoch aufgrund Ihrer Mail gerne noch differenzieren und anstatt von Herrn Kutschera "als dem für diese Sperrung Verantwortlichen" genauer Folgendes sagen:

"Vorbemerkung: Seit 19. März 2003, gegen 14.30, sind alle Links auf meine Library Site zur Zeit
gesperrt. Die an diesen Beiträgen interessierten Leser des vdbiol bitte ich, sich an Herrn Kutschera als dem Initiator mehrerer Sperrversuche und durch seine
Kampagne gegen meine Instituts-Homepage (direkt oder indirekt) Hauptverantwortlichen des
jetzigen Verbots zu wenden (zu seinen Methoden siehe den Text unten), sowie an Herrn Bert
Hölldobler, der ebenfalls zur derzeitigen Sperrung beigetragen hat. Die folgenden Ausführungen
wurden vor diesem Datum verfasst."


Mit freundlichen Grüßen,

Ihr

Wolf-Ekkehard Lönnig